Kunstschaffen als Technikfolgenabschätzung

Projektbeschreibung

„A malware about the dying dimension of donold trump
Planet-forming disks on a bunch of celebrities promoting nfts
A song about the conceptual dimension of recession
A geek artwork to raise doubt about antibiotic
An apocalyptic opinoid revealing the mechanisms behind healthcare“ (twitter.com/predartbot)

Dieses scheinbar sinnfreie Kauderwelsch stammt eindeutig nicht aus einer operativen Sprache, die Menschen im Alltag verwenden. Es handelt sich hierbei um einen Auszug aus Tweets von @Predictive Art Bot, der Online-Version eines Kunstwerks der Künstler Nicolas Maigret und Maria Roszkowska. Das Werk, oder – um den Titel aufzugreifen – der Predictive Art Bot, ist im übertragenen Sinne ein Algorithmus, der „auf Grundlage aktueller Diskurse Konzepte für künstlerische Projekte entwirft und teilweise absurde zukünftige Kunstrichtungen prophezeit“. Was wir also in den oben zitierten täglichen Veröffentlichungen auf Twitter (twitter.com/predartbot) sehen, sind die Vorhersagen eines Roboter-Spezialisten, eines nicht-menschlichen Wesens, über die Kunst. Überträgt man die Urheberschaft vom menschlichen Künstler auf einen künstlich-intelligenten Kunst-Bot, befreit man also die Künstler sozusagen von den Zwängen der Kreativität und entwickelt Ideen, die so von menschlichen Wesen noch nicht erdacht oder umgesetzt wurden, so konfrontiert diese künstlich erschaffene neue Realität (Autopoiesis) die heutigen transhumanistischen Prophezeiungen mit post-hermeneutischen und post-pädagogischen Fragen: Ist es noch möglich – und wenn ja, wie – über die sich entwickelnden technischen Objekte und Systeme (wie z. B. die Existenzform von Algorithmen) zu sprechen und diese zu verstehen, eine logische Theorie oder Perspektiven für Intervention und Partizipation zu formulieren, etwa beim Versuch, die semantischen Horizonte des Maschinellen und des Menschlichen zu vereinen, was einige der aktuellen Diskurse in Posthumanismus und Biopolitik gerne übersehen?

Aus der Perspektive der hermeneutischen Technikfolgenabschätzung sind die oben aufgeworfenen Fragen – philosophische, sprachliche, anthropologische, politische – auch relevant, um die „Reflexivität der Debatten und Entscheidungen über die Gestaltung des technologischen Fortschritts und die Nutzung seiner Ergebnisse“ (Grunwald) zu erhöhen. Tatsächlich suchen einige der jüngsten Diskussionen und Entwicklungen in der Technikfolgenabschätzung nach einer konstruktiven Sprache, die Elemente aus der Kunsttheorie und der partizipatorischen Kunstpraxis aufgreift (z. B. theatralische TA in konstruktiver TA) oder nach einer Reihe von neuen Werkzeugen und Methoden, die „TA als Intervention“ ermöglichen. Hier kommen wir zu einer zeitgenössischen Annäherung von künstlerischem Schaffen und Technikfolgenabschätzung: Da ist einerseits die Tendenz der Technikfolgenabschätzung, über die Grenzen der bestehenden Methoden und Perspektiven, über das „wissenschaftliche System“ einer signifikanten Sprache hinauszugehen, um den Horizont der Reflexivität durch künstlerisches Denken und Handeln zu erweitern; andererseits suchen zeitgenössische Künstler, Designer und Aktivisten, deren Werke technologiebasiert sind, die entweder mit neuen, aufkommenden Technologien experimentieren oder an der Schnittstelle zwischen Kunst, Wissenschaft und Technologie arbeiten, nach einer richtungsweisenden Sprache, die reflexiv und kritisch gegenüber dem (materiellen, technischen) Medium ist, dass sie für künstlerische Aktivitäten und soziales Engagement nutzen.

In diesem Projekt sollen daher die kognitiven und technischen Grundlagen (Möglichkeiten und Grenzen) einer solchen Annäherung (oder auch Verzweigung) zwischen den beiden Bereichen (d. h. dem künstlerischen Schaffen und der Technikfolgenabschätzung) durch empirische Fallstudien untersucht werden.

Administrative Daten

Referent: Prof. Dr. Armin Grunwald
Koreferent: Prof. Dr. Alfred Nordmann
Doktoranden bei ITAS: siehe Promovieren am ITAS

Kontakt

Hua Lin, M.A.
Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS)
Postfach 3640
76021 Karlsruhe

Tel.: 0721 608-26722 (ITAS-Sekretariat)
E-Mail