MoWiKo – Moralisierungen in der Wissenschaftskommunikation
- Projektteam:
Hillerbrand, Rafaela (Projektleitung); Anna Rifat Klassen (Projektkoordination), Christine Milchram
- Förderung:
Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)
- Starttermin:
2023
- Endtermin:
2026
- Projektpartner:
KIT-ARRTI (Elisabeth Does), KIT-ZAK (Lisa Gaffney, Doris Teutsch), KIT-ITZ (Senja Post), Lehrstühle der Germanistischen Sprachwissenschaft an der Universität Heidelberg (Janine Dengler, Maria Becker, Ekkehard Felder)
- Forschungsgruppe:
Philosophie der Technik, Technikfolgenabschätzung und Wissenschaft
Projektbeschreibung
In diesem Projekt untersuchen wir, wie moralische Aspekte in öffentlichen Debatten zu wissenschaftlich-gesellschaftlichen Problemstellungen thematisiert werden. Zu diesem Zweck wird im Rahmen des linguistischen Teilprojekts an der Universität Heidelberg ein Instrument entwickelt, das eine automatisierte Untersuchung dieser Thematisierungen ermöglicht. Das Teilprojekt Wissenschaftskommunikation untersucht die Auswirkungen auf die Einstellung zu wissenschaftlich-gesellschaftlichen Problemlagen abhängig von moralischen Adressierungen. Das philosophische Teilprojekt entwickelt eine Systematik, auf deren Grundlage die anderen beiden Teilprojekte ihre empirische Forschung durchführen werden, und erarbeitet Leitlinien zur Aushandlung wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Wertekonflikte.
Zahlreiche öffentliche Debatten widmen sich Problemlagen, die sich durch ein Gemenge an gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Fragestellungen auszeichnen. Solche „gesellschaftlich-wissenschaftlichen Problemlagen“ ergeben sich daraus, dass empirische Wissenschaften einerseits gesellschaftliche Probleme identifizieren (Klimawandel, Antibiotikaresistenzen etc.) und Möglichkeiten zu ihrer Bewältigung entwickeln (Impfungen, Risikobewertungen etc.). Andererseits werfen die Erkenntnisse empirischer Wissenschaften normative Fragen auf, die auf der Grundlage deskriptiver wissenschaftlicher Aussagen allein nicht beantwortet werden können. Dazu gehören Fragen nach der gesellschaftlichen Priorisierung von Zielen, dem vertretbaren Umgang mit Risiken und Unsicherheiten, der Gewichtung von Kosten und Nutzen oder nach angemessenen Lebensweisen. Antworten auf solche normativen Fragen werden in Demokratien in gesellschaftlichen Aushandlungsprozessen errungen, die nach einer demokratietheoretischen Idealvorstellung auf Diskursfähigkeit basieren und im Ergebnis zu evidenzbasierten Kompromissen führen.
Unser Hauptaugenmerk liegt darauf, wie in solchen Debatten moralische Aspekte thematisiert werden. Grundsätzlich lassen sich hier zwei Arten der Thematisierung unterscheiden. Einerseits zeigt sich in öffentlichen Diskursen häufig, dass moralische Aspekte über die fragwürdige Praktik des Moralismus eingebracht werden. Dabei wird auf sehr allgemeine, in einer Gesellschaft unhinterfragte und in konkreten Fällen unterspezifizierte ethische, moralische oder gesellschaftliche Werte wie etwa Frieden oder Freiheit („Frieden schaffen ohne Waffen“, „Freiheitsenergien“) Bezug genommen. Andererseits werden moralische Fragen auf ethisch-abwägende Weise thematisiert. Hier wird sowohl transparent gemacht, welche moralischen oder gesellschaftlichen Wertannahmen deskriptiven wissenschaftlichen Aussagen zugrunde liegen, als auch nach ethischen Kriterien abgewogen, wie Forschungsbefunde in gesellschaftliche Entscheidungen einfließen sollen. Hierzu zählen beispielsweise Debatten über die Zumutbarkeit von Risiken für die Gesellschaft.
Anhand von Fallbeispielen in den Bereichen Energiesicherheit, KI und Nahrungssicherung entwickeln wir Kriterien, um einen ethisch-abwägenden Diskurs über normative Fragen von einem moralistischen Diskurs zu unterscheiden. Dabei bauen wir auf einer in der allgemeinen philosophischen Literatur bereits etablierten Unterscheidung zwischen sachlich angemessener Moralisierung (in der Begrifflichkeit dieses Projekts: einem ethisch-abwägenden Diskurs über normative Fragen) und der Praktik des unangemessenen Moralisierens auf. Zudem wird im Austausch mit der kommunikationswissenschaftlichen Arbeit zur Wirkung von Moralisierung eine konzeptuelle Unterscheidung zwischen konstruktiv und destruktiv wirkenden Formen der Moralisierung erarbeitet. Aufbauend auf den empirischen Arbeiten im Projekt werden wir Leitlinien zur Aushandlung wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Wertekonflikte ausarbeiten.
Kontakt
Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS)
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