Dissertation: „Das Überlegungsgleichgewicht als Lebensform“
Vor allem in „A Theory of Justice“ formuliert der US-amerikanische Philosoph John Rawls seine Idee des Überlegungsgleichgewichts. Ihr zufolge kann man zu gerechtfertigten Überzeugungen genau dann gelangen, wenn alle Überzeugungen bezüglich einer Untersuchungsfrage durch eine ganzheitliche und kritische Überprüfung so harmonisch aneinander angepasst wurden, dass sie zusammengenommen am plausibelsten sind.
Unabdingbar für liberale Demokratien
„Im Kern geht es bei einer solchen Rechtfertigung also um rationale Gründe, die man sich selbst oder anderen vermitteln kann“, erklärt Michael Schmidt, wissenschaftlicher Mitarbeiter am ITAS. Dies sei dienlich zur Mehrung des Wissens, notwendig für das Verständnis eines Sachgebiets und, aus Rawls’ Sicht, unabdingbar, wenn innerhalb einer liberalen Demokratie debattiert und gemeinsam um gerechte und legitime Entscheidungen gerungen wird.
In seiner jetzt erschienenen Dissertation unternimmt Michael Schmidt einen „Versuch zu einem vertieften Verständnis“ der Methode des Überlegungsgleichgewichts. Er argumentiert, dass es einen konzeptionellen Kern gibt, der alle Interpretationen der Methode miteinander verbindet.
Schmidt untersucht auch, ob die Methode selbst gerechtfertigt ist. Vor dem Hintergrund der sich hieraus ergebenden Selbstanwendungsproblematik – der Notwendigkeit der Akzeptanz der Methode vor der eigenen Rechtfertigung – plädiert er dafür, sie als eine öffentliche und politische Lebensform zu verstehen. Das heißt, dass sie als Bündel sozialer Praktiken aufgefasst werden kann, die idealerweise den gelebten Konsens einer liberalen Demokratie ausmachen – etwa wenn es darum geht, eine Position in einer parlamentarischen Debatte, vor Gericht oder in den öffentlichen Medien zu rechtfertigen. (13.10.2022)
Bibliografische Angaben:
Schmidt, Michael. W.
Das Überlegungsgleichgewicht als Lebensform: Versuch zu einem vertieften Verständnis der durch John Rawls bekannt gewordenen Rechtfertigungsmethode.
Dissertation, Leiden: Brill | mentis, 2022, 397 S., ISBN 978-3-96975-250-0
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