technik.kontrovers 2018
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type of event:
Themenabende
- place:ITAS, Karlstraße 11, 76133 Karlsruhe
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date:
2018
- links:
Endlager? Nein danke
Der Atomausstieg ist beschlossene Sache. Die Frage bleibt: Wohin mit dem hoch radioaktiven Abfall? Mit diesem Thema beschäftigte sich der technik.kontrovers Themenabend „Endlager? Nein danke“ vom 22.10.2018.
Mit einer kurzen Einführung eröffnete Dr. Peter Hocke-Bergler einen Abend, der noch von angeregten und interessanten Diskussionen begleitet werden sollte.
Die beiden Referentinnen Dr. Sophie Kuppler und Dr. Melanie Mbah machten den Anfang. Anschaulich stellten sie beispielhaft zwei der diskutierten Entsorgungsmöglichkeiten gegenüber - die Oberflächen- und die Tiefenlagerung.
Während sich die Oberflächenlagerung durch einfache Überwachungsmöglichkeiten und hohe Flexibilität auszeichne, mangele es noch an Langzeiterfahrungen mit den verwendeten Materialien. Auch von einer erhöhten Terrorgefahr durch den potentiell zugänglichen Standort könne ausgegangen werden.
Diese Probleme scheint ein Endlager unter Tage zu lösen. Im Verlauf der Gegenüberstellung wurde jedoch klar: Ein „Aus den Augen, aus dem Sinn“-Prinzip, könne der Angelegenheit nicht gerecht werden - schließlich soll der nukleare Abfall so unter der Erde gelagert werden, dass er für mindestens eine Million Jahre sicher von der Biosphäre getrennt ist. Grundsätzlich stelle sich laut den Experten die Frage, ob man so etwas wie einen geologisch sichersten Standort überhaupt identifizieren könne. Momentan stünde man noch einer „weißen Landkarte“ gegenüber.
Eine eindeutig beste Lösung für die Entsorgung der Abfälle scheint es also nicht zu geben. Was tut man in Situation wie dieser? Die Abfälle sind da und müssen entsorgt werden. Wie kommt man zu einer demokratischen und wissenschaftlich abgesicherten Entscheidung?
Darauf ging Institutsleiter Prof. Dr. Armin Grunwald in seinem darauffolgenden Vortrag ein. Er machte deutlich, wie wichtig Bürgerbeteiligungen bei der Suche nach einem nuklearen Endlager seien. Die Vergangenheit habe gezeigt, dass „Durchregieren“, also Entscheidungen von oben nach unten ohne öffentliche Transparenz zu treffen, Misstrauen in der Bevölkerung wecke.
Grunwald ging besonders auf die Tatsache ein, dass die Endlagerpolitik langfristigen Rückhalt in der Bevölkerung und bei politischen Entscheidungsträgern zugleich benötige. Anders als bei Steuererhöhungen könne hier nicht in der nachfolgenden Legislaturperiode „alles anders“ entschieden werden.
Ein guter Ansatz sei das Nationale Begleitgremium, bei dem das Standortauswahlverfahren für ein Endlager unter anderem durch sechs unabhängig ausgewählte Bundesbürger und -bürgerinnen unterstützt werde.
Nach den Vorträgen fand eine interessante Diskussion zwischen Publikum und Referenten statt. Wir möchten allen Gästen an dieser Stelle nochmals für die lebhafte Beteiligung an diesem besonderen Abend danken.
Energie der Zukunft
Die Energiewende bewegt. Das stellte ein voll gefüllter Saal am 12. April, als wir zum technik-kontrovers Themenabend „Zukunft.Energie.Wende“ einluden, erneut unter Beweis.
Deutschland (und die Welt) steht vor einem ernsten energietechnischen Problem: auf der einen Seite gilt es den stetig steigenden Energiebedarf zu decken, auf der anderen Seite schreitet der Klimawandel unaufhörlich voran. Wie wollen wir diesen sich gegenseitig verstärkenden Problemen entgegnen? Fest steht: wir benötigen mehr Energie bei einem geringeren Schadstoffausstoß. Nachdem die Weiterverfolgung der Atomenergie ad acta gelegt wurde, sieht die deutsche Energiepolitik neben der Steigerung der Elektromobilität um 6 Millionen Elektroautos bis 2030, die Verringerung der Treibhausgase mit gleichzeitigem Ausbau der erneuerbaren Energien um 80 Prozent bis 2050 vor. Dies gelingt nur durch eine grundlegende Transformation des kompletten Energiesystems. Hierbei solle die Erzeugung nicht mehr der Last, sondern die Last der Erzeugung folgen. Konkret bedeute dies: wir würden dann Strom verbrauchen, wenn viel Strom zur Verfügung steht. Ein solches Konzept stellte Dominik Poncette im Rahmen der ITAS-Mitwirkung am Kopernikus-Projekt „Synergie“ vor. Der Energieverbrauch energieintensiver Industriebranchen, wie beispielsweise der Glasbranche, solle intelligenter gesteuert und somit besser an die täglichen oder saisonalen Schwankungen in der Stromerzeugung angepasst werden. Neben der Transformation müsse auch eine Koppelung der Sektoren Strom, Wärme und Verkehr stattfinden. Solch eine systematische Vernetzung könne die „Power-To-X“-Technologie bieten, indem das reichlich in der Luft vorkommende CO2 in beliebige Stoffe umgewandelt werden würde (z.B. Kraftstoffe oder chemische Grundstoffe). Desweiteren hielt Poncette eine Kombination aus Elektro- und Verbrennungsmotoren sowie eine Koexistenz von fossilen und erneuerbaren Energieträgern in nicht allzu ferner Zukunft für wahrscheinlicher als einen Trend zur ausschließlichen Elektromobilität bzw. erneuerbaren Energie.
Dr. Jens Peters referierte im zweiten Teil der Veranstaltung über den Batteriespeicher und seine Zukunft. Der Vorteil von Batterien läge in guter Skalierbarkeit, sowie hoher Effizienz und Leistung, die für die Pufferung von Verbrauchsspitzen unabdingbar sei. Der Anwendungsbereich reiche hier vom Spitzenlast-Speicher bis zum Heimspeicher. Der große Negativaspekt allerdings bestünde in dem Umstand, dass die Herstellung von Batteriespeichern mit einer sehr hohen Umweltbelastung einhergehe: für 1 Kilowattstunde (kWh) Batteriespeicher benötige man ca. 328 kWh oder 116 kg CO2 (entspricht ca. 50 Liter Benzin). Ein weiterer kritischer Punkt wäre, dass der Bedarf an Metallen genauso wüchse, wie der Vorrat an natürlichen Ressourcen schrumpfe. Zusätzliche große Fragezeichen sähe er bei den Kosten und dem zukünftigen Bedarf. Für 2050 sei beispielsweise ein Speicherbedarf von 20 Gigawattstunden zu erwarten (das entspricht 1 Millionen Elektrofahrzeuge oder 0.25 kWh pro Person).
Anschließend folgte ein Vortrag von Dr. Dirk Scheer, der dem Publikum die Rolle der Gesellschaft für den Erfolg der Energiewende näherbrachte. Der erste, fast schon triviale Aspekt bestünde in der Art und Weise wie wir Technik auswählen und nutzen. Ein neues, „grünes Verhalten“, das sich auf lange Zeit gesehen in eine Alltagsroutine wandeln müsse, ist hier das Stichwort. Das finge bei der Betrachtung der Energieeffizienzklasse unserer Kaffeemaschine an.
Einen weiteren Aspekt bildeten die Technikfolgen in Bezug auf unsere Umwelt und Gesundheit sowie der gerechten Verteilung von Kosten und Lasten der Energiewende. Bezüglich erneuerbarer Energien fungiere unsere Gesellschaft als Eigentümer und Bezahler zugleich, wenn man betrachtet, dass erneuerbare Energien zu 90% in Privatbesitz seien. Ein weiterer wichtiger Punkt sei zudem die Unterstützung, die Technik und Energiepolitik in der Gesellschaft erfährt. Während die Gesamtstrategie der Energiewende auf breite Zustimmung stöße, ist man sich über einzelne Technologien und Entscheidungsprozesse uneins, welches durch ein zunehmendes Misstrauen gegenüber Entscheidungsträgern erklären werden könne. Resümierend bleibt zu sagen: „Der Erfolg der Energiewende ist ohne Berücksichtigung der Gesellschaft nicht machbar - ohne die Gesellschaft ist der Erfolg der Energiewende nicht erzielbar.“
Zum Ende der Veranstaltung werteten wir eine kleine Umfrage aus, die wir zu Beginn durch einen Fragezettel unter der Zuhörerschaft durchgeführt hatten. Festgestellt wurde, dass 2/3 der Gäste schon in direkten Kontakt mit der Energiewende gekommen waren. Als Beispiele wären hier die Installation von Photovoltaik oder Wärmespeichern, Engagement in Arbeitskreisen oder auch energiepolitisches Mitwirken auf Kommunalebene zu nennen.
Der Rest des Abends war von einer aufschlussreichen Diskussion und weiteren interessanten Einzelgesprächen geprägt. Wir danken unseren Referenten und Gästen für diesen lebendigen Diskussionsabend!
technik.kontrovers
In der Reihe „technik.kontrovers“ präsentiert das ITAS gesellschaftlich brisante Technikthemen, zu denen am Institut geforscht wird. Die vierteljährlich stattfindenden Veranstaltungen haben das Ziel, vernetzend, interaktiv und vielfältig vorzugehen. Die Forscherinnen und Forscher skizzieren mit kurzen Impulsen unterschiedliche Positionen zur gesellschaftlichen Dimension bestimmter Technikbereiche und suchen damit den unmittelbaren – und gerne auch kontroversen – Austausch mit der Öffentlichkeit.
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