Gunnar Kappler

Systemanalytische Untersuchung zum Aufkommen und zur Bereitstellung von energetisch nutzbarem Reststroh und Waldrestholz in Baden-Württemberg
Eine auf das Karlsruher bioliq®-Konzept ausgerichtete Standortanalyse

Karlsruhe: Forschungszentrum Karlsruhe 2008 (Wissenschaftliche Berichte, FZKA 7416), 169 Seiten
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KURZFASSUNG

Systemanalytische Untersuchung zum Aufkommen und zur Bereitstellung von energetisch nutzbarem Reststroh und Waldrestholz in Baden-Württemberg – eine auf das Karlsruher bioliq®-Konzept ausgerichtete Standortanalyse Mit Blick auf die Sicherstellung einer nachhaltigen Mobilität wird zunehmend auch die Notwendigkeit herausgehoben, innovative Verfahren zu entwickeln, um Bioenergieträger neben der Strom- und Wärmebereitstellung auch zur Erzeugung von biogenen Kraftstoffen verwenden zu können.

Aus diesem Grunde wird derzeit am Forschungszentrum Karlsruhe ein innovatives Konzept verfolgt, welches die Nutzung und Bereitstellung von Biomasse zur Kraftstofferzeugung sowohl technisch als auch logistisch erleichtern soll. Dieses sogenannte bioliq®-Konzept basiert auf einer Kombination von mehreren regional verteilten dezentralen Anlagen zur Schnellpyrolyse, in denen die Biomasse in eine Pyrolyseöl-Koks-Suspension (Slurry) konvertiert und in dieser konditionierten Form anschließend zu einer zentralen Vergasungsanlage transportiert wird. Für die Gewinnung von Biokraftstoffen nach dem bioliq®-Konzept sind insbesondere die mengenmäßig bedeutsamen und bis dato weitestgehend ungenutzten Brennstoffe Waldrestholz und (Getreide-) Reststroh interessant, die als energetisch nutzbare Reststoffe bzw. Nebenprodukte in der land- und forstwirtschaftlichen Produktion anfallen.

Vor diesem Hintergrund war es Ziel dieser systemanalytischen Arbeit der Frage nachzugehen, an welchen Aufkommensorten welches Potenzial an (Getreide-) Reststroh und Waldrestholz (nur Baden-Württemberg) für die energetische Nutzung zur Verfügung steht und inwieweit dies durch das räumlich dezentral-zentral gekoppelte bioliq®-Konzept ökonomisch bereitgestellt werden kann. Darüber hinaus sollte in diesem Kontext auch analysiert werden, welche Gebiete (nur Baden- Württemberg), unter Berücksichtigung der vor Ort vorhandenen Infrastruktur, als Standort für eine Pyrolyseanlage geeignet erscheinen.

Die Potenzialabschätzung zum Reststroh, ergab für Baden-Württemberg und das Jahr 2003 ein Bruttostrohaufkommen von rund 2,9 Mio. Mg FM, was einem durchschnittlichen Ertrag von 6 Mg FM pro ha Getreideanbaufläche gleichkommt. Unter Einberechnung des Bedarfs für die Viehhaltung (rd. 0,9 Mio. Mg FM) und derjenigen Menge, die für den Erhalt der Humusbilanz (rd. 0,8 Mio. Mg FM) des Bodens abzuziehen ist, verbleiben schließlich rund 1,2 Mio. Mg FM bzw. 1,0 Mio. Mg TM Stroh, welches dauerhaft einer energetischen Nutzung zugeführt werden könnte.

Für Baden-Württemberg ergab sich ein theoretisch verfügbares Waldrestholzpotenzial von jährlich rund 3 Mio. m3, was annähernd 1,6 Mio. Mg TM entspricht. Unter Berücksichtigung weiterer Holzsortimente (z.B. Schwachholz/Industrieholz) könnte diese Menge auf bis zu 2,7 Mio. Mg TM erhöht werden. Bedingt durch restriktive Faktoren, wie z.B. Erschließungssituation und Besitzstruktur, dürfte hiervon allerdings lediglich ein Potenzial von ca. 1,2 Mio. Mg TM tatsächlich mobilisierbar sein.

Für die Erfassung und Bereitstellung von Stroh ergaben sich für die Verhältnisse von Baden-Württemberg in Abhängigkeit von Schlaggröße und Aufkommensdichte geschätzte Erfassungskosten von ungefähr 40 bis 70 €/Mg TM (Durchschnittswert unter Beachtung ortspezifischer Gegebenheiten: 63 €/Mg TM).

Für die Erfassung und Bereitstellung des Waldrestholzes in Form von Hackschnitzel resultiert eine Kostenspanne von 30 bis 180 €/Mg TM (Durchschnittswert unter Beachtung ortspezifischer Gegebenheiten rund 80 €/Mg).

Da durch die Konversion der Biomasse zu Slurry höhere Energiedichten erreicht werden, sind die spezifischen Transportkosten im Vergleich zur unbehandelten Biomasse deutlich geringer. Unter Berücksichtigung der Slurry-Produktionskosten ergeben sich somit ab einer Transportstrecke von ca. 150 km Kostenvorteile zugunsten der Slurrybereitstellung.

Letztlich zeigte sich, dass besonders vorteilhafte Standorte für Pyrolyseanlagen ausschließlich in denjenigen Gebieten Baden-Württembergs zu finden sind, welche über eine überdurchschnittlich hohe Reststroh-Aufkommensdichte verfügen. In Anbetracht der gewonnenen Ergebnisse scheinen für Baden-Württemberg zum gegenwärtigen Zeitpunkt, insbesondere aufgrund hoher Bereitstellungskosten, nur einige wenige (n < 4) standorte für eine pyrolyseanlage (100 mwin) geeignet zu sein.

Die Gestehungskosten für den „Biomass-to-Liquid“(BtL)-Kraftstoff betragen unter den in dieser Arbeit getroffenen Annahmen bei gemeinsamer Nutzung von Holz und Stroh rund 1 € pro Liter (exkl. Energie- und Mehrwertsteuer). Wie die Analysen in dieser Arbeit zeigten, stehen in Baden-Württemberg theoretisch freie Potenziale der beiden mengenmäßig bedeutendsten Bioenergieträger Reststroh und Waldrestholz für eine energetische Nutzung zur Verfügung. Doch kann vor dem Hintergrund der in dieser Arbeit gewonnenen Erkenntnisse eine umfassende Versorgung von BtL-Großanlagen mit ausreichenden Mengen an kostengünstiger Biomasse unter den gegenwärtigen Gegebenheiten aller Voraussicht nach kaum erreicht werden.

 

Erstellt am: 26.11.2008 - Kommentare an: webmaster