E-Commerce in Deutschland -
Eine kritische Bestandsaufnahme zum elektronischen Handel

Riehm, U.; Petermann, Th.; Orwat, C.; Coenen, Chr.; Revermann, Ch.; Scherz, C.; Wingert, B.
Berlin: edition sigma 2003, (Reihe "Studien des Büros für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag", Bd. 14), ISBN 3-89494-823-9, 471 Seiten, 29,90 Euro


Vorwort Buchcover

Gegenstand der folgenden fast 500 Seiten ist eine durch den Deutschen Bundestag in Auftrag gegebene umfassende und facettenreiche Technikfolgenabschätzung zum elektronischen Handel in Deutschland. Versucht man - trotz der Komplexität und des Umfangs der Untersuchungen - eine knappe Zusammenfassung, so lassen sich die Vielzahl der Einzelergebnisse zu folgenden vier Befunden verdichten:

(1) Das Ausmaß der Durchdringung des Handels mit elektronischen Anwendungen ist von Wirtschaftssektor zu Wirtschaftssektor extrem unterschiedlich. Das reicht von E-Commerce-Anteilen im Einzelhandel im einstelligen Prozentbereich (B2C-E-Commerce) bis hin zu einer hundertprozentigen elektronischen Abwicklung von Handelsprozessen in einzelnen Sektoren des Handels zwischen Unternehmen (B2B-E-Commerce). Die Steigerungsraten erreichen längst nicht mehr die Werte aus der Boomzeit des E-Commerce um die Jahrtausendwende; sie sind aber immer noch so hoch, dass der elektronische Handel überproportional zum Umsatzwachstum im Handel beiträgt. Insgesamt hat Deutschland im internationalen Vergleich in Bezug auf den E-Commerce eine gute Position erreicht.

(2) E-Commerce ist zunächst nichts anderes als ein neuer und zusätzlicher Vertriebskanal. Das Handelsgeschäft wird nicht grundsätzlich neu erfunden, eine Revolution findet mithin nicht statt. Somit steht E-Commerce mit den herkömmlichen Vertriebsformen in Konkurrenz und muss sich durch besondere Vorteile, wie die Automatisierung von Handelsprozessen, die Schaffung von mehr Transparenz in erweiterten Märkten, die Beschleunigung und Effizienzsteigerung, auszeichnen. Die besonders erfolgreichen E-Commerce-Unternehmen zeigen hier ihre Stärken. Doch nicht jeder Sektor des Handels ist für den E-Commerce in gleicher Weise geeignet. Der elektronische Vertriebskanal ist nicht immer der bessere: Heute ist oft das Telefon und nicht E-Commerce das bevorzugte Mittel, eine Bestellung aufzugeben.

(3) Die Wirkungen des E-Commerce sind nicht a priori festgelegt; es kommt auf die Ziele und die soziotechnischen Konfigurationen an, die die beteiligten Akteure im Auge haben und zu realisieren versuchen. Darüber hinaus beeinflussen die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen Richtung und Ausmaß der Wirkungen des E-Commerce.

(4) Viele Bereiche des Handels zeichnen sich durch gewachsene Strukturen und Regelungen aus, die die Entfaltung des E-Commerce hemmen. Wollte der Bundestag eine Politik verfolgen, die in erster Linie auf die Förderung des elektronischen Handels setzt, dann könnte er z. B. die Buchpreisbindung aufheben, das Versandhandelsverbot für Arzneimittel abschaffen, die freie Wahl des Stromlieferanten auch über das Internet ermöglichen, besondere Berufsprivilegien, z. B. von Anwälten, abbauen, Gebietsmonopole, z. B. im Automobilhandel, verhindern. Dem Interesse an der Handelsliberalisierung stehen aber andere legitime Interessen entgegen. Die ureigenste Aufgabe der Politik ist es, zwischen diesen Interessen abzuwägen und auszugleichen. Und nicht nur dies, weitere politische Aufgaben stehen an, so die Informationsinfrastruktur auf Dauer für den elektronischen Handel zu sichern und auszubauen, die logistischen und ökologischen Herausforderungen im Zuge einer Zunahme des elektronischen Handels zu meistern bzw. für eine nachhaltige Politik zu nutzen, die Wettbewerbspolitik den neuen Bedingungen des elektronischen Handels anzupassen.

Der vorliegende Band bietet für jeden der genannten Befunde materialreiche und differenzierte Analysen. Kapitel I beginnt mit einem einleitenden Überblick zum Stand und den wesentlichen Dimensionen des E-Commerce. Das umfangreiche Kapitel II enthält Analysen der Rahmenbedingungen, des Entwicklungsstandes, der Folgen und Perspektiven des E-Commerce in acht Wirtschaftsbereichen (dem Handel mit Lebensmitteln, Automobilen, Arzneimitteln, Medienprodukten, Strom, Wertpapieren, Dienstleistungen sowie der Beschaffung im öffentlichen Bereich). Hierauf aufbauend wird im abschließenden dritten Kapitel eine Gesamtbilanz gezogen und es werden Vorschläge zum Forschungs- und Handlungsbedarf formuliert.

Dieses Buch ist im Rahmen eines Projekts des Büros für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) in Berlin entstanden, das auf Anregung aller Fraktionen des Bundestagsausschusses für Wirtschaft und Technologie im Herbst 2000 begonnen und im Juli 2002 mit der Abnahme des Endberichtes abgeschlossen wurde. Das Projekt wurde gemeinsam durch das TAB und das Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) des Forschungszentrums Karlsruhe durchgeführt. Im Rahmen des Projekts wurde eine Reihe von Gutachten vergeben, die in den Endbericht eingearbeitet wurden (siehe die Liste der Gutachten im Anhang). Die hier vorgelegte Buchfassung basiert in wesentlichen Teilen auf dem Endbericht, der im Sommer 2002 dem Bundestag vorgelegt wurde. Der Text wurde nochmals durchgesehen, überarbeitet und in Teilen, insbesondere in Kapitel I, aktualisiert.

Berlin und Karlsruhe im April 2003 für das Autorenteam
Ulrich Riehm




Stand: 30.06.2003 - Kommentare und Bemerkungen an:     Ulrich Riehm