Riehm, U.; Petermann, Th.; Orwat, C.; Coenen, Ch.; Revermann, Ch.; Scherz, C.; Wingert, B.:
TA-Projekt "E-Commerce" - Endbericht. Berlin: TAB 2002 (Arbeitsbericht Nr. 78)
Die dem elektronischen Handel weltweit zuwachsende Bedeutung und die zugleich erwarteten Transformationsprozesse in Wirtschaft und Gesellschaft waren Anlass für einen Vorschlag aller Fraktionen des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie, das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) mit einer Studie"Wirtschaftliche Perspektiven des elektronischen Handels" zu beauftragen. Das vom TAB entsprechend konzipierte TA-Projekt wurde im Anschluss an eine zustimmende Beschlussfassung des für Technikfolgenabschätzung (TA) zuständigen Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung im Herbst 2000 begonnen und im Sommer2002 abgeschlossen. Im Mittelpunkt der Untersuchung standen der Realisierungsstand des E-Commerce in verschiedenen Wirtschaftsbereichen, die erwartbaren Diffusionsprozesse und Strukturveränderungen sowie die sich daraus ergebenden Folgen. Behandelt wurden zudem hemmende und fördernde Faktoren der weiteren Entwicklung sowie die möglichen politischen Regulierungs- und Handlungsoptionen.
Unter E-Commerce wird im Rahmen dieser Studie ein Handelsgeschäft verstanden, das auf öffentlich zugänglichen Märkten und über eininteraktives elektronisches Medium abgeschlossen wird (Kap. I. 1.). Der elektronische Handel ist somit ein Bestandteil des E-Business (elektronischer Geschäftsverkehr). E-Commerce grenzt sich aber ab von Formen des Fernhandels, bei denen die zum Einsatz kommenden Medien nicht interaktiv sind, wie dies z. B. beim "TV-Shopping" der Fall ist. E-Commerce findet hauptsächlich zwischen Unternehmen (B2B), zwischen Unternehmen und der öffentlichen Hand (B2G), zwischen Unternehmen und Privathaushalten (B2C) und zwischen Privathaushalten (C2C) statt. Neben dem Internet können auch andere Medien (proprietäre Netzwerke, Mobilfunknetze, interaktives Fernsehen) als technische Kommunikationsträger genutzt werden.
Ausgehend von der derzeit verfügbaren Datenlage (Kap. I. 2.), die gleichwohl Lücken aufweist, kann ein erster Überblick der E-Commerce-Entwicklung gegeben werden:
Im B2B-Bereich (Kap. I. 3.) hat Deutschland im internationalen Vergleich in den letzten Jahren deutlich aufgeholt. Der Anteil der Unternehmen, die ihre Produkte und Dienstleistungenüber das Internet vertreiben, liegt mit 20 % noch über dem Wert der USA. Fast 50 % der Unternehmen wickeln Beschaffungsprozesse über das Internet ab - ein Wert, der knapp unter dem der USA liegt, aber oberhalb der Werte Finnlands und Großbritanniens. Zum wertmäßigen Volumen des B2B-Handels liegen aus den USA Zahlen der amtlichen Wirtschaftsstatistik für das Jahr 2000 vor: Im Bereich der Fertigungsindustrien lag der E-Commerce-Anteil bei 18,4 %, im Großhandel bei 7,7 % und in ausgewählten Dienstleistungsbranchen bei 0,8 %. Entsprechende Zahlen stehen für Deutschland nicht zur Verfügung. Die Potenziale des elektronischen Handels im B2B-Sektor liegen in erster Linie in der Integration der Beschaffungs- und Vertriebsprozesse mit den sonstigen unternehmensinternen und unternehmensübergreifenden Informationssystemen.
Mit dem Anstieg der Nutzerzahlen für das Internet steigt auch die Zahl derjenigen, die online einkaufen. Während im Jahr 2002 in Deutschland fast 50 % der Bevölkerung schon einmal das Internet überhaupt genutzt haben, sind es 30 %, die bereits einmal etwas über das Internet eingekauft haben. Der Anteil derjenigen, die häufiger im Internet einkaufen, ist allerdings mit rund 6 % gering. Insgesamt gehen die jährlichen Steigerungsraten bei der Internetnutzung deutlich zurück (Kap. I. 4.1).
Das wertmäßige Volumen des B2C-E-Commerce (Kap. I. 4.) betrug im Jahr 2001 in Deutschland immerhin 4,3 Mrd. Euro. Produkte und Dienste, die besonders häufig eingekauft werden, sind Bücher, Bekleidung und Schuhe, Tonträger, Computer und Zubehör sowie die Angebote von Touristikunternehmen. Die absoluten Zahlen des E-Commerce-Umsatzes dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sein Anteil am Einzelhandelsumsatz in Deutschland im Jahr 2001 nur bei geschätzten 1,0 % lag. Damit unterscheidet sich die Situation in Deutschland kaum von derjenigen in den USA. Dort vermeldet die amtliche Statistik einen Anteil des E-Commerce am Einzelhandel im Jahr 2001 von 1,1 %. Es ist nicht zu erwarten, dass diese Werte in absehbarer Zeit dramatisch ansteigen und den zweistelligen Prozentbereich erreichen werden.
E-Commerce ist nicht gleich E-Commerce. Je nach Branche, Produktkategorie, Handelstradition und regulatorischen Rahmenbedingungen bilden sich unterschiedliche Formen des E-Commerce heraus. Daher sind das Entwicklungspotenzial und die Folgen differenziert einzuschätzen. Im Mittelpunkt der TAB-Studie stehen acht Wirtschaftsbereiche. Deren Auswahl orientierte sich an einer Reihe von Kriterien (Kap. I. 5.): Es sollten traditionelle Fertigungsindustrien (Automobilindustrie) als auch informationsorientierte neue Branchen (Wertpapierhandel) berücksichtigt werden, Branchen, in denen der E-Commerce bereits relativ fortgeschritten ist (Musikindustrie) und solche, in denen er erst am Anfang steht (Lebensmittelbranche), Branchen mit den Handel stark einschränkenden Rahmenbedingungen(freie Berufe, Arzneimittelhandel) und solche mit relativ großer Handelsfreiheit (Videobranche, Lebensmittelbranche), Branchen mit einer starken Konkurrenzsituation (Lebensmittelbranche) und solche mit eher gedämpfter Konkurrenz (Buchbranche), Branchen mit gegenständlichen (Auto, Lebensmittel) und solche mit digitalisierbaren Produkten (Video).
Der Lebensmittelhandel (Kap. II. 1.) steht für einen Wirtschaftsbereich, der durch extrem große Konkurrenz, starke Konzentrationsprozesse, geringe Handelsmargen und hohe Kundenanforderungen bei Produktqualität und Belieferung gekennzeichnet ist. Die Bedingungen für den elektronischen Handel mit Lebensmitteln sind besonders schwierig, da das Transportgut empfindlich und verderblich ist und somit entsprechende Einschränkungen für Vertrieb und Zustellung bestehen.
In den Handelsbeziehungen zwischen Herstellern, Handel und Großabnehmern (B2B) haben sich auf und nahezu zwischen allen Wertschöpfungsstufen elektronische Marktplätze etabliert. Am erfolgreichsten sind die neutralen Marktplätze zwischen Herstellern und Händlern. Hier werden Auktionen durchgeführt, Rahmenverträge ausgehandelt und umfangreiche Mehrwertdienste angeboten.
Im Lebensmittelhandel kommt es kaum zur Ersetzung herkömmlicher Handelsstufen (Disintermediation). Vielmehr ist zu beobachten, dass der traditionelle Groß- und Zwischenhandel besonders gut die Chancen des E-Commerce nutzt und dadurch gestärkt wird.
Von den rund 1.500 Anbietern von Lebensmitteln im Internet (B2C) verfügen nur die wenigsten über das klassische Vollsortiment eines Lebensmitteleinzelhändlers. Besonders aktive Anbieter sind solche mit ökologischen Produkten. Die Zustellung von Lebensmitteln ist ein Service, der in der Branche - ganz unabhängig vom Internet - teilweise schon seit Jahren etabliert ist. Das Internet fungiert bei diesen Unternehmen nur als ein zusätzliches Bestellmedium - die meisten Bestellungen werden dort jedoch über das Telefon abgewickelt.
Die relativ hohen Zustellkosten bilden allerdings eines der Kernprobleme des elektronischen Handels mit Lebensmitteln, insbesondere wenn eine bundesweite Marktabdeckung erreicht werden soll. Es wird deshalb mit Lieferkonzepten experimentiert, bei denen die Anwesenheit des Endkunden nicht erforderlich ist, die zudem die Zustelldichte erhöhen und die Warenübergabe erleichtern. Erste Abschätzungen zu den verkehrlichen und ökologischen Folgen unterschiedlicher Lieferkonzepte wurden vorgenommen.
4,5 % der Verbraucher haben in Deutschland in den letzten sechs Monaten Lebensmittel im Internet bestellt. Dabei war der durchschnittliche Wert eines Einkaufs im Distanzhandel mit125 DM höher als im stationären Lebensmitteleinzelhandel, wo dieser Betrag je nach Betriebsform zwischen 28 und 44 DM variierte.
Insgesamt gehen heute alle Prognosen davon aus, dass auch langfristig der Anteil des Internethandels mit Lebensmitteln nicht mehr als 10 % am gesamten Umsatz im Lebensmitteleinzelhandel erreichen wird.
Die Automobilindustrie (Kap. II. 2.) ist Repräsentant der etablierten "old economy". Sie erzielte Ende der 90er Jahre eine Wertschöpfung von ca. einem Fünftel des Bruttoinlandsprodukts. Schon immer nahm sie in Bezug auf informationstechnische Neuerungen eine Vorreiterrolle ein. Internet und E-Commerce können sich in diesen technologieorientierten Innovationsprozess nahtlos einfügen. Die Automobilindustrie steht aber auch vor besonderen Herausforderungen, was die Vertriebsstrukturen betrifft, in denen bisher eine starke Regulierung die freie Konkurrenz einschränkte.
Im B2B-Bereich besitzt das Internet ein erhebliches Potenzial zur Senkung von Transaktionskosten. B2B-Handelsplattformen werden es Zulieferern und Herstellern ermöglichen, diese Potenziale voll auszuschöpfen. Dadurch wird der Druck der Hersteller auf die Zulieferer zunehmen.
Durch den Aufbau neuer Online-Vertriebswege der Hersteller treten diese tendenziell in Konkurrenz zu ihren Händlern. Allerdings wird der stationäre Handel gegenwärtigüberwiegend als Kooperationspartner für die Vertragsabwicklung und den Kundendienst in diese Aktivitäten mit eingebunden.
Im B2C-Bereich ist zu erwarten, dass sich auch zukünftig das Internet nicht als herausragender Vertriebskanal für Neuwagen unabhängig von traditionellen Vertriebswegen etablieren wird. Prognosen gehen davon aus, dass der Anteil der von Privaten getätigten Direktkäufe im Internet in fünf Jahren unter 3 % liegen wird. Als Informationsinstrument dürfte es dann aber von mindestens 70 % aller Neuwagenkäufer genutzt werden. Im Gebrauchtwagensegment ist das Internet fest etabliert. Auf unabhängigen elektronischen Automarktplätzen findet sich derzeit in Deutschland mehr als die Hälfte aller am Markt verfügbaren Gebrauchtwagen. Dabei ist die Hauptfunktion dieser Gebrauchtwagenbörsen die Herstellung einer Beziehung zwischen Anbieter und Nachfrager (Vermittlungsfunktion). Der Online-Verkauf wird dagegen auch in fünf Jahren kaum mehr als 2 % aller Besitzumschreibungen ausmachen.
E-Commerce etabliert sich in der Automobilbranche allenfalls als Verstärker, nicht aber als treibende Kraft unter den technisch-organisatorischen Innovationen. Der Strukturwandel wird in weit stärkerem Maße von globalen und produktionstechnischen Entwicklungen bestimmt. Auch Änderungen des regulatorischen Umfelds werden zu erheblichen Auswirkungen auf die Branche führen. So wird durch die Liberalisierung des bisher stark regulierten Vertriebssystems zwar mit besseren Chancen für den E-Commerce gerechnet, aber auch mit deutlichen Auswirkungen auf die Struktur des KfZ-Einzelhandels durch eine stärkere Konkurrenz sowohl innerhalb der Branche als auch durch neue, branchenfremde Akteure.
Im Arzneimittelhandel (Kap. II. 3.) wird die Dynamik der technischen Entwicklung in Deutschland im Augenblick durch rechtliche Bestimmungen (Apothekenmonopol) gebremst. Der Versandhandel mit Arzneimitteln ist in Deutschland auf der Ebene des Endkunden verboten. Tatsächlich findet er aber - in begrenztem Umfang - durch Nutzung von Online-Versandapotheken im Ausland statt.
Gegen eine Zulassung des Online-Handels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in Deutschland wird angeführt, dass dieser zu einer Verminderung der Versorgungssicherheit und zu einem Abbau des gesundheitlichen und wirtschaftlichen Verbraucherschutzes führen könnte. Die Folgen eines zugelassenen elektronischen Handels mit Arzneimitteln hängen aber wesentlich von der Ausgestaltung der (rechtlichen) Rahmenbedingungen ab. Es liegen Vorschläge auf dem Tisch, sowohl Wettbewerb zuzulassen, als auch - durch regulierende Maßnahmen - sicherzustellen, dass das quantitativ und qualitativ hohe Versorgungsniveau in Deutschland gewährleistet bleibt. Damit könnte der Online-Handel zu einer kostengünstigeren Arzneimittelversorgung in Deutschland beitragen.
Die möglichen Folgen eines zugelassenen E-Commerce mit Arzneimitteln sind für die Apotheken eher moderat. Bei einem angenommenen relativ hohen Anteil des Internethandels am gesamten Arzneimittelhandel von maximal 26 % ist mit der Schließung von etwa 3.000 Apotheken (14 % aller Apotheken) zu rechnen. Dadurch wäre die Apothekendichte immer noch ausreichend und die Versorgungssicherheit gewährleistet.
Der elektronische Handel mit Medienprodukten (Kap. II. 4.) erfolgt zum einen als elektronisch unterstützter Versandhandel mit gegenständlichen, zum anderen als vollständiger elektronischer Handel mit digitalen Medienprodukten. Der Online-Handel mit gegenständlichen und mit digitalen Medienprodukten ist grundsätzlich durch bestimmte Kaufgewohnheiten - z. B. das "Durchstöbern" der Angebote in Ladenlokalen oder das "Erlebnisshopping" - begrenzt. Die Chancen des Online-Handels für die Medienprodukte Buch, Musik und Video müssen deshalb differenziert betrachtet werden.
Da Angebotsbreite, Beratungskompetenz und regionale Ladendichte des stationären Buchhandels aus Konsumentensicht besonders günstig ausfallen, hat sich bisher im Vergleich zu Tonträgern und Videos nur ein verhältnismäßig geringer Anteil des Online-Buchhandels ergeben (3,4 % der Gesamtumsätze im Jahr 2001), der auch kurz- bis mittelfristig nur noch leicht steigen dürfte.
Im Online-Handel mit Tonträgern und Videos können die relativ hohen Online-Umsätze(Tonträger 6,4 %, Video 13,6 % der Gesamtumsätze im Jahr 2001) u. a. mit der vergleichsweise schlechten Angebotsstruktur durch Ladengeschäfte erklärt werden. Langfristig könnte der Anteil des Online-Handels am gesamten Umsatz mit Videokassetten und DVDs sogar 30 % ausmachen.
Eine Reihe von Faktoren hemmen die Etablierung eines Marktes für digitalisierte Medienprodukte: Die Konsumenten sind bereits im materiellen Medienbereich und noch mehr im Internet an das kostenlose Angebot von durch Werbung finanzierten Medienprodukten gewöhnt; durch die Kopierschutzmechanismen für digitale Medienprodukte werden zunehmend die gewohnten Nutzungsmöglichkeiten (z. B. Verleihen, Sammeln, langfristiges Aufbewahren) eingeschränkt; schließlich haben die privaten Online-Tauschbörsen bereits Maßstäbe bezüglich Angebotsbreite, Verfügbarkeit und Nutzungsmöglichkeiten gesetzt, die durch kommerzielle Online-Händler erst noch überboten werden müssten. Die Ausschöpfung der wirtschaftlichen Potenziale des E-Commerce hängt deshalb davon ab, ob konsumentenfreundliche Vertriebsmodelle gefunden werden, die sich gleichzeitig auch rechnen.
Der Handel mit Strom (Kap. II. 5.) ist in Deutschland erst seit 1998 möglich. Prinzipiell erscheint das leitungsgebundene und mit automatisch erfassten Liefer- und Nutzungsdaten versehene Gut "Strom" besonders für den elektronischen Handel geeignet. Trotzdem ist dieses Potenzial bisher nur wenig ausgeschöpft. Dies liegt vor allem an einer ungenügenden Umsetzung der Marktliberalisierung. Bei der Herstellung von Markt- und Informationstransparenz, beim Zugang zu den Verteilnetzen und zum Stromzähler sowie bei der Standardisierung gibt es noch einen erheblichen Handlungsbedarf. Ein hemmender Faktor ist auch der Kunde, der eher auf Versorgung statt Besorgung setzt. Die Motivation, um den Strompreis zu handeln, ist bei den wenigsten Kunden ausgeprägt.
Betrachtet man die einzelnen Segmente des Stromhandels, dann ist im Stromgroßhandel der elektronische Handel relativ gut etabliert. Hier handeln die Stromerzeuger untereinander, um unvorhergesehene Über- und Unterkapazitäten auszugleichen. Auch im Geschäft mit Großkunden entwickelt sich der Handel über elektronische Marktplätze und die neuen Strombörsen. Im Stromeinzelhandel mit Privatkunden ist momentan ein Vertragsabschluss (Wechsel des Stromversorgers) allein über das Internet nicht möglich, da der bisherige Stromlieferant auf einer schriftlichen Kündigung besteht.
Das Stromhandelsvolumen im Groß- und Einzelhandel mit Unternehmenskunden wird weiter ansteigen. In diesem Segment könnte der Anteil des elektronisch abgewickelten Handels auf über 50 % wachsen. Das Stromhandelsvolumen im Einzelhandel wird dagegen nicht in gleichem Maße zunehmen. Hier wird auf absehbare Zeit ein E-Commerce-Anteil erwartet, der eher unter 10 % liegen dürfte.
Wertpapiere sind - ähnlich wie das Gut Strom - aufgrund ihrer Immaterialität für den elektronischen Handel ebenfalls besonders gut geeignet. Im Wertpapierhandel (Kap. II. 6.) kommen in einem sehr hohen Ausmaß - sowohl in der Phase der Informationsbeschaffung als auch in der Phase des Handelsabschlusses - interaktive elektronische Medien zum Einsatz.
Der allgemeine Trend der letzten Jahre zum Kauf von Wertpapieren wurde durch die neuen Möglichkeiten für die Kunden, über das Internet direkt Aktien zu ordern, gefördert. Die Anzahl der online geführten Wertpapierkonten lag Ende 2001 bei 2,5 Mio. Die Zahl der Geschäftsabschlüsse ist allerdings im Jahr 2001 stark gesunken. Dies hat zu einer Krise unter den Online-Brokern geführt, da deren Geschäftsmodell in erster Linie auf den Provisionen für getätigte Wertpapierkäufe beruht. Einige der Anbieter versuchen sich deshalb neu zu positionieren, indem sie wieder vermehrt Beratungsleistung anbieten, von der Konzentration auf das Internet abrücken und auf das Telefon und stationäre Vertriebsformen setzen. Etablierte Anbieter mit ausgebauten Filialnetzen haben in der Konkurrenz mit den neuen Anbietern aus dem Internet in dieser Beziehung einen großen strategischen Vorteil.
Die interaktiven Möglichkeiten des Internets werden dazu genutzt, dass die Anleger nicht nur als Informationsnachfrager, sondern auch als Informationsanbieter auftreten (z. B. in den relativ beliebten "Chat-Rooms"). Eine Prüfung der Qualität der so verbreiteten Informationen findet nicht statt. Die Gefahr der Manipulation durch anonyme Teilnehmer ist daher groß. Selbstregulierung, staatliche Maßnahmen und der Aufbau von Qualitätsstandards durch Informationsintermediäre sollen dieser Gefahr entgegen wirken.
Fusionen unter den elektronischen Handelsplätzen finden auch grenzüberschreitend statt, wodurch es zu aufsichtsrechtlichen Problemen kommen kann. Die Schwierigkeiten der internationalen Regulierbarkeit ergeben sich aus der grenzüberschreitenden Handelbarkeit von Wertpapieren und daraus, dass die Handelsplatzbetreiber internationale Unternehmen sind.
Der Dienstleistungsbereich (Kap. II. 7.) ist vielgestaltig; er reicht von Handel, Banken und Versicherungen über die öffentliche Verwaltung bis zu den Freien Berufen (Ärzte, Ingenieure, Rechtsanwälte). Im Kern sind mit Dienstleistungen "an Personen gebundene nutzenstiftende Leistungen" gemeint, die auf der Grundlage langjähriger beruflicher Qualifizierung erbracht werden. Dienstleistung ist weder lagerfähig noch transportfähig; Produktion und Konsumption fallen notwendigerweise zusammen. Deshalb sind Dienstleistungen zwar marktfähig, aber nicht selbst handelbar. Handelbar sind allein die Anrechte auf eine Dienstleistung: der Vertrag über Rechtsberatung, aber nicht die Rechtsberatung selbst. Im Zuge des technologischen Zugriffs, insbesondere durch Telekommunikation und Computer, und durch andere Rationalisierungsprozesse verlieren diese Unterscheidungen aber an Bedeutung und der Charakter der Dienstleistungsarbeit verändert sich. Dies wird an Beispielen aus dem Rechtsbereich näher untersucht.
Ansatzpunkte und erste Elemente des E-Commerce lassen sich insbesondere in den BereichenRechtsinformation und Rechtsberatung finden: Der Datenbankbetreiber Juris verkauft Rechtsinformation an Experten; Rechtsportale im Internet bieten kostenfreie und kostenpflichtige Informationsangebote für jedermann. Bei der elektronischen Rechtsberatung werden drei Formen angeboten: "Schnellberatung" per E-Mail und Telefon (Anwalts-Hotline), Beratung per Dialog-Programm und Beratung per Videokonferenz. Dies sind Anwendungsfelder, in denen momentan eher noch experimentiert wird, aber vor dem Hintergrund eines sich mehr und mehr etablierenden elektronischen Rechtsverkehrs gewinnen sie zunehmend an Bedeutung.
In einer Untersuchung über Freie Berufe und E-Commerce konnten zwei Einstellungsmuster ausgemacht werden, die gleichzeitig als These zu den langfristigen Wirkungen interpretiert werden können: Auf der einen Seite die Einstellung, dass E-Commerce das Herzstück der Freien Berufe (und das ist hoch qualifizierte Beratung mit einem besonderen beruflichen Kodex) nicht tangieren werde, was beruflich auf die Pflege nicht-technischer Formen von Kommunikation hinausläuft; auf der anderen Seite die engagierte Nutzung der neuen Möglichkeiten und die in ihnen schlummernden Potenziale, was etwa die Rationalisierung der Kommunikation mit den Klienten, den Einsatz als Instrument der Profilierung und des Zugangs zu neuen Märkten bedeutet.
Die elektronische Beschaffung durch die öffentliche Hand (Kap. II. 8.), auch in Deutschland oft als "Public E-Procurement" (PEP) bezeichnet, steht zwar noch am Anfang ihrer Entwicklung, weist aber derzeit eine hohe Dynamik auf. Zahlreiche Projekte auf kommunaler, Länder- und Bundesebene bestimmen augenblicklich das Bild: Auf Bundesebene sticht dabei das Leitprojekt "E-Vergabe" hervor, das Teil des umfassenderen Projektes "Öffentlicher Einkauf Online" ist. Auf der kommunalen Ebene, die für die Beschaffung der öffentlichen Hand insgesamt eine wichtige Rolle spielt, reicht die Bandbreite von relativ kleinen Lösungen, wie sie einzelne Kommunen favorisieren, über kommunale Einkaufsgemeinschaften bis hin zur umfassenden "In-House"-Lösung. Da interne Lösungen relativ kostenintensiv sind, setzen viele Kommunen eher auf die Adaption von Lösungen, die von anderenöffentlichen Institutionen entwickelt werden, oder auf die Kooperation mit externen Dienstleistern aus der Privatwirtschaft.
Die Initiativen zur elektronischen Beschaffung durch die öffentliche Hand sind eingebettet in eine umfassende Strategie der Modernisierung des Regierungs- und Verwaltungshandelns mit vielfältigen Zielen, so z. B. der Kostenreduktion. Die genaue Höhe der Einsparpotenziale ist allerdings umstritten. Die Mehrheit der Experten sowie die Bundesregierung gehen davon aus, dass sich hierüber bis zu 10 % der gesamten Kosten einsparen lassen. Weitgehende Einigkeit besteht darüber, dass die öffentlichen Beschaffungsprozesse durch PEP erheblich beschleunigt und vereinfacht werden können.
Wichtige rechtliche Voraussetzungen für die elektronische Auftragsvergabe wurden in den letzten Jahren geschaffen. Weiterer Regelungsbedarf ergibt sich aus Einzelproblemen sowie aus den aktuellen Entwicklungen, die auf EU-Ebene stattfinden. Technische Lösungen und verschiedene Betreibermodelle stehen inzwischen grundsätzlich zur Verfügung. Somit sollten derzeit - aufbauend auf dem bisher Erreichten - vor allem die Information und Kommunikation über PEP intensiviert werden.
Die aktuellen PEP-Initiativen auf den verschiedenen Ebenen der öffentlichen Hand können als Experimentier- und Lernprozess betrachtet werden. Technische und organisatorische Fragen stehen dabei naturgemäß im Vordergrund. Es müssen aber auch jetzt schon die Auswirkungen auf kleine und mittlere Unternehmen, die Schaffung von mehr Transparenz, der Datenschutz, die Qualifizierungserfordernisse und Rationalisierungsfolgen im öffentlichen Personalbereich sowie die Europäisierung der öffentlichen Beschaffung angemessen berücksichtigt werden.
Idealerweise werden öffentliche Beschaffungsstellen und der Staat die Rolle von Vorreitern zukünftiger Entwicklungen im E-Procurement einnehmen. Erste Voraussetzungen dafür, dass die elektronische Beschaffung der öffentlichen Hand Impulsgeber für den gesamten E-Commerce wird, sind geschaffen. Die Entwicklung ist aber noch nicht weit genug vorangeschritten, um einschätzen zu können, ob E-Procurement diese Vorreiterrolle wirklich zukommt.
E-Commerce ist ein Element innerhalb der sukzessiven Weiterentwicklung der Strukturen der Volkswirtschaft. Seine Formen sind ebenso vielfältig wie die mit ihm verfolgten Ziele. Eine E-Commerce-Revolution wird es aber nicht geben. Die von ihm ausgehenden Impulse für den Strukturwandel sind zwar in einzelnen Bereichen deutlich erkennbar, fallen aber insgesamt doch eher moderat aus.
E-Commerce dient ganz unterschiedlichen Zielen (Kap. III. 1.1). Je nach Branche, betrieblicher Positionierung oder gehandeltem Gut geht es um die Lösung spezifischer Aufgaben: z. B. Prozessintegration, Herstellung von mehr Transparenz, Effektivierung von Bestellprozessen bei Massengütern oder die kundenindividuelle Konfiguration hochwertiger Güter. Diese Ziele besitzen für die untersuchten Wirtschaftsbereiche jeweils unterschiedliche Relevanz.
Bei der Prozessintegration geht es u. a. um die Einbindung der E-Commerce-Komponenten in die gesamte Unternehmens-EDV und um die Abstimmung von Anbieter- und Beschaffungssystemen der am E-Commerce Beteiligten. E-Commerce erscheint hier als ein Bestandteil umfassender Strategien der Vernetzung der Unternehmen.
Das Problem der Herstellung von Markttransparenz tritt typischerweise in Marktsituationen auf, bei denen eine Vielzahl relativ zersplitterter Anbieter und Abnehmer aufeinander treffen. Es zeigt sich hier, dass langfristig angelegte, feste Geschäftskooperationen gegenüber marktvermittelten, flexiblen Handelsbeziehungen oft vorgezogen werden. E-Commerce kommt erst dann ins Spiel, wenn Bedarfsspitzen, zeitliche Engpässe oder Spezialanforderungen auftreten. E-Commerce-Systeme können in solchen Situationen sowohl Transparenz in unübersichtlichen Marktverhältnissen schaffen als auch in kurzer Zeit eine Nachfrage mit vorhandenen Angeboten abgleichen. Gegebenenfalls können daran anschließend sogar die Preisbildung und der Handelsabschluss automatisiert erfolgen. In solchen elektronischen Geschäftsbörsen und Spotmärkten kommen die besonderen Potenziale von E-Commerce zum Tragen. Da diese besonderen Anforderungen allerdings nur relativ selten auftreten, wird der Umfang des E-Commerce in diesen Bereichen entsprechend gering ausfallen.
Der Handel mit Alltagsgütern, die in hohen Stückzahlen relativ häufig benötigt werden und im unteren Preissegment angesiedelt sind, eignet sich besonders gut für den E-Commerce zwischen Herstellern und dem Groß- bzw. Einzelhandel. Umfassende elektronische Produktkataloge, auf die online zugegriffen werden kann, sind ein zentrales Element solcher Systeme. Die Rationalisierung des Bestellprozesses (und erst in zweiter Linie die Auswahl eines Lieferanten bzw. eines Produktes) steht dabei im Vordergrund. Es ist bereits heute beobachtbar, dass der elektronische Handel (B2B) in diesem Segment (z. B. bei der Bestellung von Büchern oder Arzneimitteln) einen hohen Anteil abdeckt, der tendenziell gegen 100 % gehen wird.
Anders ist die Situation bei hochwertigen Gütern, die selten gekauft werden (Automobile, Möbel, Kleidung, Versicherungen, Reisen etc.). Das Interesse an der Rationalisierung der Bestellabwicklung steht wegen des deutlich höheren Bestellwerts nicht im Vordergrund. Kommen elektronische Verkaufssysteme zum Einsatz, dann dienen diese eher derkundenindividuellen Konfiguration des Produktes (Farbe, Ausstattungsdetails), dem Nachweis der Verfügbarkeit eines Produktes oder der Aushandlung von Konditionen.
Einer der meistdiskutierten Aspekte des elektronischen Handels ist die Frage nach denKosteneinsparpotenzialen. Bei der Vielfalt der E-Commerce-Formen und der mit dem E-Commerce-Einsatz verbundenen Ziele gibt es hierauf keine pauschale Antwort (Kap. III. 1.2).
Am ehesten finden sich in der Literatur Angaben zu Kosteneinsparungen für die elektronische Beschaffung. Diese Angaben beziehen sich zum einen auf den Beschaffungsprozess und zum anderen auf die Preise der beschafften Güter. Generell erwartet man prozentual höhere Einspareffekte bei den Prozesskosten als bei den Produktkosten.
Häufig angeführt werden auch - methodisch oft fragwürdige - Angaben zu den Kosten unterschiedlicher Vertriebskanäle, wobei der E-Commerce als sehr kostengünstig eingeschätzt wird. Angesichts eines diesbezüglich oft unkritischen Glaubens an Kosteneinsparpotenziale sind zwei Hinweise angebracht: Es kommt auf die potenzielle Produktivität und Kosteneffizienz des elektronischen Handels gar nicht an, wenn erstens die Kunden diesen Vertriebskanal nicht akzeptieren oder wenn zweitens die Produkte für diesen Vertriebskanal nicht geeignet sind.
Vieles weist darauf hin, dass oft geäußerte Erwartungen an den elektronischen Handel zum jetzigen Zeitpunkt als "E-Commerce-Illusionen" zu gelten haben: Weder der Wegfall des Zwischen- und Einzelhandels noch die Elektronifizierung des reinen Vermittlungsgeschäftes haben bisher zu den erwarteten hohen Kosteneinsparungen geführt. Auch die Hoffnung, dass Online-Händler ohne eigenes Lager auskommen könnten, hat sich überwiegend als Illusion erwiesen.
Der elektronische Handel tritt mit dem Anspruch hoher Selektivität, Interaktivität, Individualität - insgesamt also mit dem Versprechen einer gesteigerten Kundensouveränität auf (Kap. III. 1.3): Das Internet eröffnet dem Kunden die gesamte Welt des Handels. Aus umfassenden elektronischen Produktkatalogen kann das gewünschte Produkt herausgesucht werden, das nach seinen besonderen Wünschen noch angepasst, auf Bedarf erzeugt und zugestellt wird. Der Kunde wird nicht nur zu seinem eigenen Verkäufer, sondern auch zum Koproduzenten des Herstellers.
Generell ist das Internet für den Privatnutzer jedoch in erster Linie ein Kommunikations- und Informationsmedium und erst in zweiter Linie ein Transaktionsmedium. Der Akzeptanz des E-Commerce förderlich ist es deshalb, wenn es gelingt, die Einkaufstransaktion an das alltägliche Kommunikations- und Informationsverhalten anzukoppeln. Verknüpfungen von Alltagsverhalten und Einkaufsprozessen sind dann besonders aussichtsreich, wenn durch sie preisgünstige Einkaufsmöglichkeiten eröffnet werden. Produkte im Internet sind bisher allerdings keineswegs generell billiger als im konventionellen Handel.
Bei all diesen, auf die Attraktivität des E-Commerce für den Kunden abzielendenÜberlegungen darf nicht vergessen werden, dass das elektronische Medium gegebenenfalls selbst eine der größten Hürden darstellt, vor allem für den nur wenig kundigen und gelegentlichen Nutzer. So ist es keineswegs überraschend, dass sich im klassischen Versandhandel das Telefon zum dominierenden Bestellmedium entwickelt hat und nicht das Internet. Das Konzept der erweiterten Kundensouveränität hat seine Tücken und seine Grenzen. Denn in nicht geringem Umfang werden dem Kunden - im Selbstbedienungsmodus - Aufgaben auferlegt, die er weder gewohnt noch gewillt ist, selbst zu erledigen.
Beim durch E-Commerce erwarteten Strukturwandel in Branchen und Märkten (Kap. III. 1.4) geht es um eine Reihe untereinander eng verbundener Aspekte.
Eine abschließende Antwort auf die Frage nach den allgemeinen Wachstumspotenzialen durch E-Commerce kann noch nicht gegeben werden. Möglich sind aber prinzipielle Überlegungen dazu, wie der elektronische Handel das Wirtschaftswachstum beeinflussen könnte.
Ein eindeutig positiver Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt entsteht durch Produkt- oder Dienstleistungsinnovationen, die nur elektronisch gehandelt werden. Schwer abzuschätzen sind die Auswirkungen der Substitution von Vertriebskanälen durch E-Commerce und dessen Rolle bei der Verlagerung von Handelsströmen im internationalen Maßstab.
Bei dem durchaus bedeutsamen Verkauf gebrauchter Güter im Internet wird es einen Anteil geben, der den Kauf neuwertiger Produkte substituiert (negativer Einfluss auf das Wirtschaftswachstum) und einen anderen Teil, der einen Bedarf befriedigt, der vorher (wegen der Intransparenz oder Nicht-Existenz des Angebots) nicht abgedeckt werden konnte. Für den zweiten Fall ist ein positiver Beitrag zum Wirtschaftswachstum zu erwarten.
Die Entwicklung des E-Commerce wird auch nach dem Ideal des "friktionslosen Marktes" beurteilt. In diesen Märkten hoher Transparenz - so die Annahme - sei die Wettbewerbsintensität besonders ausgeprägt und die Preise näherten sich deshalb den Grenzkosten an. Die Empirie zeigt aber: Trotz E-Commerce ist die Preisstreuung zwischen den unterschiedlichen Online-Anbietern beträchtlich, und die Preise im Internet sind nicht generell günstiger als im stationären Einzelhandel.
Mit Hilfe des Internets eröffnet der E-Commerce die Möglichkeit, räumliche und kommunikative Distanz zwischen Hersteller und Kunde leichter zu überwinden. Die (Zwischen-)Handelsstufe könnte wegfallen, und die dort anfallenden Handelsmargen könnten dem Produzenten und dem Konsumenten direkt zukommen. Solche Direktvertriebskonzepte existieren zwar in verschiedenen Wirtschaftsbereichen, aber der Gegentrend scheint eher stärker: alte Intermediäre werden gestärkt und neue Intermediäre - Cybermediäre - kommen hinzu.
Aus prinzipiellen Überlegungen heraus ist anzunehmen, dass die "Internetökonomie" Konzentrationstendenzen eher befördert als behindert. Bei digitalen Produkten und digitalen Dienstleistungen verschiebt sich im Vergleich zu herkömmlichen Produkten und Dienstleistungen das Kostenverhältnis von den variablen zu den fixen Kosten. Dies spricht für hohe Skaleneffekte, die einerseits Großunternehmen besser ausnutzen können und andererseits die Konzentrationstendenzen weiter unterstützen. Deshalb wird eine kontinuierliche Beobachtung der Konzentrationstendenzen durch E-Commerce und möglicher wettbewerblicher Beschränkungen notwendig sein sowie - wegen der starken internationalen Verflechtung der elektronischen Handelsbeziehungen - eine bessere internationale Kooperation der Kartellbehörden.
Zusammenfassend kann zum Strukturwandel festgestellt werden, dass die Wirtschaftsbranchen im Allgemeinen ein mehr oder weniger gut austariertes System darstellen, das teilweise sogar durch gesetzliche (Buchpreisbindung, Apothekenmonopol, Gruppenfreistellungsverordnung im Automobilbereich etc.) oder brancheninterne Regelungen abgesichert ist. E-Commerce mag im einen oder anderen Fall einen Anstoß zur Verschiebung der Gewichte zwischen den Akteuren bewirken, der elektronische Handel ist aber kaum der zentrale Hebel, um die jeweilige Branchenstruktur drastisch zu verändern.
Die Beschäftigungswirkungen des E-Commerce (Kap. III. 1.5) wurden in der Wissenschaft bislang nur wenig thematisiert. Tatsächlich ist es schwierig, diese Auswirkungen schon jetzt abzuschätzen, da sich umfassende Prozess- und Produktinnovationen selten in kurzen Zeiträumen durchsetzen. Nach Ansicht von Experten kann durch E-Commerce mit einem Arbeitsplatzzuwachs im verarbeitenden Gewerbe, dem Wohnungswesen und bei öffentlichen und privaten Dienstleistern gerechnet werden. Arbeitsplatzverluste treten insbesondere im Kredit- und Versicherungsgewerbe und im Einzelhandel auf. In den Wirtschaftsbereichen des Handels mit Arzneimitteln und mit Medienprodukten wird es voraussichtlich ebenfalls zu Arbeitsplatzverlusten kommen. Insgesamt, unter Berücksichtigung positiver wie negativer Effekte, gibt es wenig Anlass, eine durch E-Commerce bedingte positive Beschäftigungsbilanz zu erwarten.
E-Commerce hat in vielen der untersuchten Wirtschaftsbranchen verkehrliche Auswirkungen (Kap. III. 1.6) und verändert die logistische Wertschöpfungskette. So kann davon ausgegangen werden, dass sich durch E-Commerce sowohl die Geschäftskontakte zwischen Herstellern und Einzelhandel als auch jene zwischen Handel und Endkunden zunehmend direkter gestalten. Die Güterauslieferung erfolgt dadurch kundenorientierter, Zwischenstationen in der Warendistribution reduzieren sich. Wenn es gelingt, durchE-Logistik alle Akteure und Prozessketten effizient miteinander zu verzahnen, können verkehrsmindernde Effekte generiert werden.
Grundsätzlich können Käufe im Internet mit direkter Lieferung nach Hause privateEinkaufsfahrten substituieren. Allerdings entstehen dann auch Auslieferungsverkehre mit kleinteiligen Sendungen, die an eine Vielzahl wechselnder Empfänger verteilt werden müssen. Dadurch nimmt die Zahl der Fahrten mit kleineren Fahrzeugen zu. Zudem verlängern sich die Transportweiten, da über größere Distanzen geordert und geliefert wird. Online-Geschäfte mit privaten Endkunden führen so in der Tendenz zu einer Atomisierung des Lieferverkehrs. Die Folge ist eine gewisse Verkehrszunahme. Andererseits wird sich dieser Zuwachs in engem Rahmen halten. Die Volumina der zukünftig erwartbaren Umschichtung von stationärem Handel hin zum E-Commerce bewegen sich allenfalls in einem Bereich von nicht mehr als 5 % des Beschaffungsvolumens im Konsumgütereinzelhandel.
Außerdem wird die zukünftige Verkehrsentwicklung von der Effizienz der Belieferungssysteme bestimmt: Angesichts der hohen Kosten, die mit der Auslieferung haushaltsbezogener Sendungen verbunden sind, erscheint eine Bündelung dieser Auslieferungsverfahren nötig. Mit zunehmendem Marktumfang des B2C-E-Commerce könnte sich die Möglichkeit verbessern, entsprechende logistische Modelle (Kooperation, Sammellieferungen, Pick-up-Points u. Ä.) zu realisieren.
Der B2B-E-Commerce wird insgesamt in eher geringem Umfang zum Verkehrswachstum beitragen. Die unabhängig vom E-Commerce erwartete Erhöhung des Verkehrsaufkommens und der Fahrtleistungen wird auch in Zukunft eher durch die Zunahme der industriellen Lieferverflechtungen bestimmt werden und vom allgemeinen Wirtschaftswachstum abhängen.
In der Forschung wächst das Interesse an den ökologischen Effekten des E-Commerce (Kap. III. 1.7). Erste Erkenntnisse ergeben sich aus Untersuchungen zu den Umweltauswirkungen der informations- und kommunikationstechnischen Infrastruktur insgesamt. Bislang stehen die Energieverbräuche und Stoffflüsse, die mit der Internetnutzung verbunden sind, im Fokus der Untersuchungen. Generell betrachten diese Studien die allgemeine - und nicht die für den E-Commerce spezifische - Nutzung des Internets bzw. der Telekommunikationsnetzwerke sowie der Endgeräte. Für Deutschland existiert eine Schätzung, die den internetbedingten Energieverbrauch mit circa 0,8 % des gesamten Stromverbrauchs veranschlagt.
Mit dem elektronischen Handel verbinden sich vielfältige Erwartungen, die Ressourcenproduktivität zu erhöhen. Dies kann vor allem durch ein verbessertes Management der gesamten Prozesskette von der Zulieferung bis zum Versand erfolgen. Aber auch eine stärkere Individualisierung von Produkten ("mass customization") hilft, Überschussproduktion zu vermeiden und die Lagerhaltung zu reduzieren. Hinsichtlich Produktrecycling und Produktnutzungsverlängerung können Recyclingbörsen im Internet und Internetplattformen für gebrauchte Güter umweltentlastend wirken, wenn sie zusätzliches Recycling initiieren oder zum vermehrten Kauf und zur Weiterverwendung gebrauchter Investitionsgüter beitragen.
Komplexere indirekte Umweltwirkungen und Rückkopplungseffekte können eine größere ökologische Dimension als die direkten Effekte haben: Der durch Internet und elektronischen Handel ausgelöste wirtschaftliche Strukturwandel kann den Gesamtenergieverbrauch positiv beeinflussen, z. B. weil E-Commerce die Tertiarisierung fördert. Oder: Durch E-Commerce erzielte Effizienzgewinne sind auch zur Senkung der Preise nutzbar, was wiederum die Nachfrage stimulieren kann. Werden beim Online-Verkauf Tickets billiger angeboten, so kann dies zu mehr und weiteren Reisen führen. E-Commerce kann schließlich den grenzüberschreitenden Handel und dadurch das globale Verkehrsaufkommen erhöhen.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Erforschung der ökologischen Implikationen des E-Commerce in theoretischer, methodischer und empirischer Hinsicht noch in den Kinderschuhen steckt.
Beschäftigt man sich mit den Bedingungen des Handels in einzelnen Branchen und Wirtschaftsbereichen näher, dann stößt man auf eine Reihe von Sonderregelungen, die den freien Handel einschränken und die Bedingungen für die Etablierung des E-Commerce verschlechtern (Kap. III. 1.8). Genannt werden soll hier nur beispielsweise das Versandhandelsverbot für Arzneimittel und die Ausschaltung von Preiskonkurrenz im Buchhandel. Für den E-Commerce besonders hinderlich sind alle Einschränkungen des Handels, die Gebietsmonopole festschreiben, die die Preiskonkurrenz einschränken oder ausschalten und die bestimmte Vertriebs- und Erbringungsformen ausschließen.
E-Commerce ist aber nicht nur den bestehenden Regulierungen unterworfen, sondern kann selbst den Prozess der Regulierung oder Deregulierung beeinflussen, z. B. als Trendverstärker eines Veränderungsprozesses oder gar als Auslöser einer Veränderung des Regulierungsregimes. Im Ergebnis der branchenbezogenen Einzelanalysen lässt sich das Resümee ziehen, dass "E-Commerce" auf die Deregulierung von Märkten uneinheitlich wirkt. In der Regel ist seine Wirkung neutral oder trendverstärkend. Der interessante Fall des E-Commerce als "change agent" tritt im Wesentlichen dann auf, wenn es eine Möglichkeit der faktischen Umgehung bestehender (nationaler) Regelungen gibt, und wenn Kräfte innerhalb der Branche die Deregulierung unterstützen. Die These allerdings, dass nationale Regulierungen im Internetzeitalter und für den Internethandel generell keine Chance auf Durchsetzung mehr hätten, gilt so pauschal nicht. Es kommt auf die jeweiligen Märkte und Kräfteverhältnisse an.
Bei einer Beurteilung der weiteren Perspektiven des E-Commerce und seiner Folgen kann man sich auf Aussagen zu Spannbreiten und Größenordnungen beschränken, denn die vermeintliche Präzision quantitativer, prognostischer Modellrechnungen verwischt nur die Unsicherheiten in den Daten und Modellannahmen dieser Verfahren (Kap. III. 1.9).
Zu drei Bereichen des E-Commerce werden qualitative Abschätzungen vorgenommen. Bei den ersten beiden Anwendungsfeldern geht es um E-Commerce innerhalb des B2B-Sektors in der der Produktion vor- bzw. der Produktion nachgelagerten Phase, beim dritten Anwendungsfeld um einen Bereich des E-Commerce aus dem B2C-Sektor.
Die besondere Herausforderung in den klassischen Fertigungsindustrien besteht darin, die Handels-, insbesondere die Beschaffungsprozesse in die Fertigungsplanung nahtlos zu integrieren und zeitlich sowie kostenseitig zu optimieren. Die elektronische Beschaffung ist deshalb und auf Grund der starken Konkurrenz für viele Unternehmen unausweichlich. Betrachtet man aber die retardierenden Faktoren (z. B. die technisch äußerst anspruchsvollen Aufgaben der Integration der verschiedenen betrieblichen EDV-Systeme), dann ist selbst langfristig nicht mit einer 100%igen E-Commerce-Quote zu rechnen. Die Dominanz bestimmter Unternehmen und die Wettbewerbssitutation befördert die Tendenz zum integrierten E-Commerce merkbar. Sein Anteil wird tendenziell über der 50 %-Marke liegen.
In Bereichen mit einem breitgestreuten, gut beschreibbaren und katalogisierbaren Produktspektrum, mit hoher Bestellfrequenz und relativ niedrigem Preis sind elektronische Bestellprozesse fast unumgänglich. Man findet zwischen Hersteller, Großhändler und Einzelhändler heute schon Beispiele mit einer fast hundertprozentigen elektronischen Bestellabwicklung, man denke beispielsweise an die Bestellungen der Apotheken beim Arzneimittelgroßhandel. In einer mittelfristigen Perspektive wird in diesen Bereichen E-Commerce nahezu zur Regel werden. Andererseits sind diffizile, oft auch sehr individuelle Beratungsgespräche zwischen den Produktanbietern und den Produktabnehmern zu führen, die man sich vollständig elektronisch abgewickelt kaum vorstellen kann. Während für die Bestellabwicklung im Sinne des Besorgungsgeschäfts oder der Nachbestellung zum Auffüllen des eigenen Lagers mit einer tendenziell 100%igen E-Commerce-Quote zu rechnen ist, erscheint diese Höhe bei der Lager- und Sortimentsbestellung gänzlich unerreichbar. Selbst eine Quote von über 50 % ist mittelfristig nicht zu erwarten.
Betrachtet man den B2C-E-Commerce mit Alltags- und Massengütern, wie Lebensmittel, Arzneimittel, Bücher, CDs etc., dann kann man auf Erfahrungen aus dem Versandhandel und aus dem Ausland, das teilweise von den wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen als fortgeschrittener gilt, zurückgreifen. Danach ist auch langfristig mit einem E-Commerce-Anteil von deutlich unter 10 % zu rechnen. Es wird nur einzelne Produktbereiche geben, bei denen dem E-Commerce eine größere Bedeutung zuwächst, z. B. weil das konkurrierende stationäre Angebot nur einen schlechten Service bietet oder weil ein deutlich günstigerer Preis im Internet angeboten werden kann.
In der augenblicklichen Umbruchphase, in der sich erste deutliche Strukturen des E-Commerce im Kontext des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandels insgesamt erkennen lassen, besteht ein großer Bedarf an Forschung (Kap. III. 2.). Weil der Erfolg des E-Commerce zentral von einer funktionierenden Logistik abhängt und die Straße nicht zum Nadelöhr des elektronischen Handels werden sollte, ist der Forschungsbereich Logistik und Verkehr von besonderem Interesse. Aber auch den Themen Kundenverhalten und Ökologie muss für eine verbesserte Ausgestaltung der Rahmenbedingungen hohe Relevanz zugesprochen werden.
Praxisorientierte Forschung in den drei ausgewählten Bereichen könnte für Wirtschaft und Politik brauchbare Informationen für die weitere Gestaltung der Rahmenbedingungen des E-Commerce liefern.
Die auf E-Commerce zielenden politischen Handlungsfelder betreffen eine große Vielfalt von Aspekten. Sie reichen von den materiellen Voraussetzungen einer gut zugänglichen Netzinfrastruktur sowie den sozialen Voraussetzungen einer qualifizierten Gestaltungs- und Nutzungskompetenz bei Unternehmen und Endkunden über die regulatorischen Rahmenbedingungen zur Gewährleistung von Vertrauen und Sicherheit bis hin zu den Umfeldbedingungen und Folgen in Wirtschaft, Verkehr und Umwelt (Kap. III. 3.1).
Nationaler politischer Handlungsbedarf besteht auf zahlreichen Gebieten (Kap. III. 3.2):
Handlungsbedarf auf internationaler Ebene besteht u. a. im Hinblick auf den globalen Dienstleistungshandel (WTO, GATS), die Steuer- und Zollpolitik, den Datenschutz, den Urheberrechtsschutz sowie im Bereich der internationalen Organisationen (Kap. III. 3.3).