KIT-Logo Leible, L.; Kälber, S.; Kappler, G.:

Systemanalyse zur Gaserzeugung aus Biomasse.
Untersuchung ausgewählter Aspekte.

Karlsruhe: KIT Scientific Publishing 2011
(KIT Scientific Reports, 7580)

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Zusammenfassung

Die thermochemische Gaserzeugung eröffnet vielfältige Möglichkeiten, unterschiedlichste Biomassearten sowohl zur Wärme-, Strom- und Kraftstoffproduktion als auch zur Produktion von chemischen Grundstoffen zu verwenden. Deshalb wurde vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) das zweistufige bioliq®-Verfahren entwickelt, um trockene Biomassen unterschiedlichster Herkunft effizient für die Produktion von Kraftstoffen und chemischen Grundstoffen einsetzen zu können.

Die systemanalytische Begleitforschung leistet zur Entwicklung dieses Verfahrens wesentliche Beiträge, die anhand technischer, ökonomischer und umweltrelevanter Kennwerte eine Einordnung in gegebene Rahmenbedingungen erlauben. Bei den aktuell durchgeführten Untersuchungen standen die nachfolgenden drei Aspekte im Vordergrund:

Die im ersten Arbeitsschwerpunkt durchgeführten Analysen zum Biomasseaufkommen zeigen für das Bezugsjahr 2007, dass biogene Rest- und Abfallstoffe, die für eine energetische Nutzung geeignet sind, sowohl in Deutschland als auch in Baden-Württemberg bis heute noch zu großen Teilen ungenutzt sind. Dies gilt insbesondere für die mengenmäßig bedeutendsten Biomassearten Waldrestholz, Stroh und Heu von nicht mehr benötigten Grünlandflächen. Mit diesen Biomassen könnte in Baden-Württemberg ein energetisch nutzbares Aufkommen von jährlich rd. 3 Mio. Mg Trockenmasse bereitgestellt werden, ohne in Konflikt mit Bewirtschaftungsanforderungen oder Umweltauflagen zu kommen. Aufgrund der unterschiedlichen Verteilung der aufkommensrelevanten Flächen und der Nutzungsstrukturen ergibt sich regional ein sehr unterschiedlich verfügbares Aufkommen. So ist beispielsweise derzeit in vielen Regionen des Schwarzwalds, aufgrund der schwierigen Erschließungssituation, die Erfassung von Waldrest-holz wirtschaftlich nicht darstellbar, obwohl dort der Holzeinschlag und damit auch das Waldrestholzaufkommen am höchsten sind.

Wie durchgeführte Untersuchungen zeigen, machen die Kosten für die Biomassebereitstellung (Erfassung und Transport) in der Regel mehr als die Hälfte der gesamten Gestehungskosten des Endprodukts (z.B. Fischer-Tropsch-Kraftstoff) aus. Folglich sollte bei Optimierungsanstrengungen das Augenmerk nicht nur auf die Ausgestaltung anlagentechnischer Prozesse gerichtet werden, sondern vor allem auch auf die Biomassebereitstellung und die damit verbundenen Mobilisierungs- und Organisationsstrukturen. Um das bestehende Optimierungspotenzial ausschöpfen zu können, sind detaillierte Kenntnisse über die Prozesse der Biomasseerfassung,

-konditionierung und des -transports notwendig. Im zweiten Arbeitsschwerpunkt der Systemanalyse wird ein Überblick zum technischen Stand der Einspeisung von stückiger Biomasse in Druckvergaser gegeben, wobei aufgrund des frühen Entwicklungsstands auch Bezug auf Kohleeintragssysteme genommen wird. Neben ihren technischen Spezifikationen, werden die Systeme zur Druckeinspeisung sowohl hinsichtlich ihres Verhaltens im Betrieb, des benötigten Energieaufwands als auch der damit verbundenen Kosten verglichen.

Bei der durchgeführten Literaturauswertung zur Biomasseeinspeisung in Druckvergaser konnte keine Untersuchung gefunden werden, die ausführlich über den praktischen Betrieb eines Druckeinspeisesystems berichtet. Wie die zum Teil recht deutlich voneinander abweichenden Einschätzungen verschiedener Autoren zeigen, lassen sich die Eigenschaften der verschiedenen Bauarten auf allgemeiner, bauartorientierter Ebene nur bedingt gegeneinander abgrenzen und bewerten. Dies dürfte vor allem auf den großen Einfluss der jeweiligen Stoffeigenschaften der Biomasse auf das Betriebsverhalten des Einspeisesystems zurückzuführen sein, aber auch auf den insgesamt unübersichtlichen Entwicklungsstand der verschiedenen Bauarten, der zwischen Katalogprodukt – mit oder ohne Anpassungsbedarf – bis hin zur kundenspezifischen Einzelfertigung einzuordnen ist. Es gilt folglich abzuwarten, welche Erfahrungen in den nächsten Jahren aus den derzeit im Aufbau und in der Demonstration befindlichen Anlagen gewonnen werden, um dann zu einer differenzierteren Einschätzung kommen zu können, unter welchen Rahmenbedingungen (Biomasseart, Druckniveau des Vergasers, Verwendung des Gases) welche Biomasse-Einspeisesysteme zu bevorzugen sind.

Mit Blick auf das bioliq®-Verfahren – bei dem die Biomasse in Form eines Slurrys in den Druckvergaser eingespeist wird – besteht folglich nach dem derzeitigen Kenntnisstand kein Anlass, diese Verfahrensweise zu ändern. Dies wird dadurch noch bestärkt, dass mit dem Slurry aus der Biomasse ein Zwischenprodukt erzeugt wird, das aufgrund seiner hohen volumetrischen Energiedichte über weite Entfernungen kostengünstig transportiert werden kann.

Im dritten Arbeitsschwerpunkt wird ein techno-ökonomischer Verfahrensvergleich der Synthese von Fischer-Tropsch-Kraftstoff und von Methanol durchgeführt – einschließlich der notwendigen weiteren Aufarbeitungs- bzw. Weiterverarbeitungsschritte zum Kraftstoff. Ausgehend von den stöchiometrischen und thermodynamischen Grundlagen werden die wesentlichen verfahrenstechnischen Spezifika beider Technologieoptionen dargestellt, bis hin zu ihrer industriellen Anwendung. Im anschließenden techno-ökonomischen Verfahrensvergleich werden die Spezifikationsanforderungen an das Synthesegas, die quantitativen Prozessparameter, sowie die Spezifikation und Aufbereitung der Endprodukte zu den beiden Synthesen vergleichend aufgeführt. Angaben zu Wirkungsgraden und Energiebilanzen, und eine ökonomische Einordnung runden diesen Vergleich ab. Die Untersuchungen zeigen, dass sowohl die Fischer-Tropsch- als auch die Methanolsynthese zur Herstellung von Kohlenwasserstoffen bzw. synthetischen Kraftstoffen aus biogenem Synthesegas grundsätzlich geeignet sind. Die Stärken und Schwächen jeder Technologie müssen jedoch bezogen auf das gesamte Kraftstoff-Konzept und nicht nur in den limitierten Systemgrenzen der Synthesen abgewogen werden. Des Weiteren haben auch strategische und wirtschaftliche Entscheidungen eine Auswirkung auf die Wahl der Technologie, da das technologische Know-how beider Syntheseverfahren nur im Besitz und Vertrieb von sehr wenigen Firmen ist. Deshalb müssen auch Entscheidungen über strategische industrielle Partnerschaften in die Abwägungen mit einbezogen werden.

 

Erstellt am: 28.04.2011 - Kommentare an: webmaster