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VorwortWie jede wissenschaftliche Veröffentlichung, hat auch diese eine Vorgeschichte: Von Anfang 1986 bis Ende 1988 hatte das Bundesministerium für Forschung und Technologie (BMFT), genauer das für Technikfolgenabschätzung (TA) zuständige Referat, ein größeres Projekt zum Elektronischen Publizieren (vgl. Riehm u.a. 1992) und im Anschluß daran, von Januar 1989 bis Juni 1991, das Projekt Elektronisches Buch (PEB) gefördert. Dessen ausführliche Bezeichnung lautete: "Eine innovative elektronische Präsentationsform für Ergebnisse wissenschaftlicher Projekte: Elektronisches Buch. Entwicklung eines Prototyps". Konkret vorgelegt wurden dann drei Prototypen. Die Aufarbeitung der konkreten Entwicklungserfahrungen fand im wesentlichen zwischen 1991 und 1993 statt. Das Projekt hatte einen doppelten Ausgangspunkt: Zum einen den damals (1988) zu konstatierenden eklatanten Mangel an medienadäquaten und benutzungsfreundlichen elektronischen Publikationsangeboten und zum anderen die von den schönsten Hoffnungen begleitete, gerade einsetzende Debatte um die Zukunft der digitalen Medien, die sich zunächst am Hypertextkonzept kristallisierte, etwas später unter der Frage nach dem "Computer als Medium" weitergeführt wurde und in die heutige Debatte um Multimedia einmündet. Diesem doppelten Ausgangspunkt entspricht ein zweifacher Gestaltungsbegriff, wovon der eine die praktische Gestaltung elektronischer Medienangebote und der andere die politische und soziale Gestaltung des langfristigen Medienwandels ins Auge faßt. Uns ging es darum, eine eigene Position in dieser Gestaltungsdebatte zu beziehen und einen Beitrag zum "Gestaltungsdiskurs" auf beiden Ebenen zu leisten, indem wir selbst Hypertexte bzw. Elektronische Bücher entwickelten und die Erfahrungen auswerteten und reflektierten. Das "allmähliche Verfertigen" im Titel des Buches mag Assoziationen an Kleists "Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden" (Kleist 1986, S. 810ff) anregen, was insofern nicht ganz falsch wäre, als dort ein Procedere analysiert wird, bei dem ein konkretes Tun den Gedanken auf die Sprünge hilft. Auch in unserem Fall war das konkrete Tun, die Verfertigung der Prototypen, ein Vehikel, die Reflexion zu stimulieren und voranzubringen. Insofern versteht es sich, daß der vorliegende Erfahrungsbericht nicht nur eine nüchterne Dokumentation der Entwicklung liefern will, sondern auch den Versuch unternimmt, aus den Erfahrungen heraus Einschätzungen abzugeben. Nach nochmaliger kritischer Durchsicht des Manuskripts und der Inspektion aktueller Medienangebote Anfang 1997 sind wir zu dem Schluß gelangt, daß kaum etwas von den Erfahrungen und Überlegungen, die wir vorbringen, überholt ist. Das läßt sich einerseits damit erklären, daß sich auf dem Sektor der textdominierten Anwendungen im Kontext wissenschaftlicher Kommunikation, dem Bereich, aus dem unsere Anwendungen stammen, nicht gar soviel getan hat. Es dürfte andererseits aber auch daran liegen, daß trotz der sich überstürzenden Neuerungen auf dem Softwaresektor und dem enorm gewachsenen elektronischen Medienangebot die strukturellen Probleme des Anwendungsdesigns dieselben geblieben sind. Es verhält sich, um einen leicht nachvollziehbaren Vergleich zu nehmen, wahrscheinlich ähnlich wie bei der Entwicklung der Textverarbeitung, die uns zwar jährlich neue, komplexere Programmversionen beschert, doch ohne die typischen Probleme dieser Textsysteme damit zu beseitigen. Textverarbeitung, eine Technik, die wir seit Jahren beobachten, nutzen und bewerten, stellt vielleicht sogar in mancher Hinsicht einen zu extrem gewählten Vergleich dar, wie uns die Erstellung der Druckvorlage dieses Bandes mit dem sogenannten "Standardsystem" drastisch vor Augen geführt hat. Der Anspruch dieser Texttechnologie, rationell und effektiv zu sein, was durch eine Vielzahl an Funktionen und "features" beglaubigt scheint, wird durch Inkonsistenzen, Unberechenbarkeiten und "allgemeine Schutzverletzungen" in einem Ausmaß konterkariert, daß das von Theo Pirker vor langer Zeit aufgedeckte Moment der "Scheinrationalität" bei der Mechanisierung der Büroarbeit heute aktueller (und untersuchenswerter) denn je erscheint. Als attraktives Publikationskonzept schwebte uns längere Zeit vor, den Bericht um eine CD-ROM zu ergänzen, auf der sich die Anwendungen, von denen die Rede ist, befinden. Daß uns dieses in Zusammenarbeit mit Verlagen nicht wie geplant gelungen ist, erklärt zu einem guten Teil den späten Zeitpunkt dieser Publikation. Die Zeiten haben sich in dieser Hinsicht mit dem Erfolg des Internet jedoch geändert, so daß wir die drei Prototypen (in zwei Fällen als ausführliche "Demo") über den WWW-Server des Instituts unter der folgenden Adresse anbieten können: http://www.itas.kit.edu/projekte_boeh89_peb.php. Unsere detaillierte und systematisch angelegte Beschreibung und Reflexion des Entstehungsprozesses digitaler Medienangebote richtet sich an alle Leser und Leserinnen, die sich für die Gestaltung von Informationstechnik und die Entwicklung der digitalen Medien generell interessieren. Wir wollen nicht zuletzt Techniksoziologen, Technik- und Medienphilosophen, TA-Forscher und Politiker ansprechen. Natürlich wenden wir uns auch an Verleger, Mediendesigner, Informatiker, Informationswissenschaftler u.a., die professionell und unmittelbar mit Anwendungsentwicklungen von elektronischen Büchern und Hypertexten zu tun haben und denen das Mitteilen der von uns eingeschlagenen Wege, des Aufwands, der aufgetretenen Probleme etc. Hinweise und Vergleichsmöglichkeiten bietet. Wir können uns auch gut vorstellen, daß dieser Band, gerade in Verbindung mit den auf unserem WWW-Server erhältlichen Prototypen, in der Ausbildung von Informationswissenschaftlern, Medienwissenschaftlern, Dokumentaren, Bibliothekaren, Designern u.a. sinnvoll eingesetzt werden kann. Die lange Aufzählung verrät den verständlichen Wunsch, unsere potentiellen Leser nicht zu verpassen. Die Notwendigkeit von Lesern erhellt übrigens das schöne Wort Flussers von der kommunikativen Intention aller Texte, "daß sie ausgestreckte Arme sind, die hoffnungsvoll oder verzweifelt versuchen, von einem anderen aufgegriffen zu werden" (Flusser 1987, S. 43f). So etwas wie der beim Schreiben vorgestellte "Idealleser" war für uns Frieder Nake, der mit seiner Arbeit für unser Projekt (Nake u.a. 1990) gezeigt hatte, daß es gelingen kann, verständlich über Hypertexte zu schreiben. Bedanken möchten wir uns an dieser Stelle bei einer Vielzahl von Personen, angefangen bei Dr. Dr. Bernd Hunger vom BMBF, der unser Projekt mit großem Interesse verfolgte und förderte; den externen Gutachtern und Gutachterinnen, deren Expertisen und Evaluationen uns weiterhalfen: Prof. Dr. Frieder Nake, Wiebke Oeltjen, Detlev Heinze; Margret Klein-Magar, Dr. Ansgar Häfner, Dr. Ingegerd Schäuble. Wir möchten auch den externen Mitarbeitern und Auftragnehmern danken, die engagiert an der Entstehung der Prototypen mitarbeiteten: Jürgen Beling von der Firma WTFK, Trier, James Gray von Owl, Edinburgh, (beide Prototyp1); Christine Haertwig, Frank Krüger, Thorsten Preißler, Hinrich Harms, Rainer Scheuchenpflug, Rita Hartig, Prof. Klaus Bessau, Dr. Ursula Köhler, Günther Frederichs (ITAS) und Dr. Michael Rader (ITAS) (alle programmierend, evaluierend oder inhaltlich am Prototyp 2, dem Flusser-Hypertext, beteiligt); Jochen Krause, Holger Nawratil und Matthias Tratz von der Firma innOOPract, Karlsruhe (Beteiligung am Prototyp 3). Herzlich danken möchten wir auch Ingrid Gabel-Becker (GMD/IPSI), die eine frühere Fassung des Manuskripts kritisch durchsah. Für die druckfertige Erstellung des Manuskripts in zunehmender Professionalität mit dem ungewohnten "Word" gilt Gabriele Kaufmann, für das Einrichten der Word-Dokumentvorlage Katja Sprunck (beide aus dem Sekretariat des Instituts) und für kompetente externe Word-Hilfestellung Anette Stürmer unser Dank. Frau Mench vom Campus Verlag sei gedankt für ihre Bemühungen, das Layout der ITAS-Reihe zu verbessern. Nur pauschal danken können wir den vielen, die sich im Rahmen der empirischen Arbeiten mit unseren Prototypen auseinandergesetzt haben. Bleibt an dieser Stelle nur noch anzumerken, daß sich im Lauf der Zeit einige Namen geändert haben: aus dem BMFT wurde das BMBF, das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie, aus dem KfK (Kernforschungszentrum Karlsruhe) wurde das FZK (Forschungszentrum Karlsruhe) aus der AFAS (Abteilung für Angewandte Systemanalyse) wurde ITAS (Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse). In dem vorliegenden Erfahrungsbericht verwenden wir, außer wenn es den Zusammenhang verfälschen würde, die aktuellen Bezeichnungen. Knud Böhle |