Stephan Lange
Karlsruhe: Universitätsverlag Karlsruhe 2008, ISBN 978-3-86644-262-7, 159 Seiten, 28,90 Euro
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[Zusammenfassung]
EINLEITUNG
Vor dem Hintergrund der Endlichkeit fossiler Rohstoffe und der Umweltproblematik durch die Nutzung fossiler Energieträger wird die Nutzung von Stroh und Waldrestholz als CO2-neutrale und erneuerbare Kohlenstoffquelle zur Produktion hochwertiger Produkte immer wichtiger. Die vorliegende Arbeit untersucht die Produktion von Synthesekraftstoffen aus Stroh und Waldrestholz systemanalytisch und legt den Schwerpunkt auf die Schnellpyrolyse als Konditionierungsschritt für die nachfolgenden Prozessschritte.
Der globale Energiemix basiert zu mehr als drei Vierteln auf den fossilen Brennstoffen Erdgas, Erdöl und Kohle. Der weltweite Verbrauch dieser Rohstoffe betrug 2002 ca. 8,26 Gtoe[1] (IEA, 2004). Durch das Wachstum der Weltbevölkerung und die zunehmende Industrialisierung von Schwellen- und Entwicklungsländern wird der Bedarf an Energie in Zukunft weiter steigen.
Aussagen über die Reichweite der Reserven und der Ressourcen fossiler Energieträger sind vage. Nach Gerling (2005) wird es in 100 Jahren und darüber hinaus noch Erdöl geben. Wichtiger als die Frage der Reichweite ist allerdings die Frage nach der ausreichenden Verfügbarkeit des Rohstoffs, die nicht mehr gegeben ist, wenn Angebot und Nachfrage auseinander klaffen. Für Erdöl kann sich diese Situation nach Gerling (2005) schon zwischen 2030 und 2040 einstellen. Die Auswirkungen werden sich u.a. in hohen Preisen für die Rohstoffe widerspiegeln.
Die Umweltproblematik durch die Nutzung fossiler Energieträger führte 1972 zum ersten Umweltgipfel der Vereinten Nationen in Stockholm. 1987 veröffentlichte die von der UNO eingesetzte Brundtland-Kommission ihren Bericht „Unsere gemeinsame Zukunft“ (Hauff, 1987). In dem Report wurde erstmals für die industrialisierte Welt das Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung formuliert. Dort heißt es: „Die Menschheit ist einer nachhaltigen Entwicklung fähig – sie kann gewährleisten, dass die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt werden, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zur Befriedigung ihrer eigenen Bedürfnisse zu beeinträchtigen.“ Ein integratives Konzept zur Operationalisierung des Nachhaltigkeitsleitbilds wurde von Kopfmüller et al. (2001) entwickelt. Die Anwendung des Konzepts auf Deutschland wurde von Coenen und Grunwald (2003) im Rahmen eines HGF-Verbundprojekts geleistet.
1992 fand die zweite Umweltkonferenz der Vereinten Nationen in Rio de Janeiro statt, auf der u.a. die Klimaschutz-Konvention verabschiedet wurde. Diese sieht vor, die Belastung der Atmosphäre mit Treibhausgasen auf einem Niveau zu stabilisieren, welches eine gefährliche Störung des Weltklimas verhindert. Im Kyoto- Protokoll wurde die Klimaschutzkonvention 1997 in rechtsverbindliche Begrenzungs- und Verringerungsverpflichtungen von Treibhausgasen für die Industrieländer umgesetzt. Im Jahr 2005 trat das Protokoll in Kraft.
Die europäische Kommission hat erstmals in ihrem Weißbuch „Energie für die Zukunft: Erneuerbare Energieträger“ (EU-Kommission, 1997) Vorschläge unterbreitet, die die Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energieträger an der Energieversorgung in der EU beinhalten. Diese sollen dazu beitragen, Umweltschutzverpflichtungen nachzukommen, die Abhängigkeit von Energieeinfuhren zu verringern und damit die Versorgungssicherheit der EU zu verbessern. Zudem sieht die europäische Kommission in der Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energieträger an der Energieversorgung eine bedeutende wirtschaftliche Entwicklungschance für die EU-Staaten. Der Ausbau der Wirtschaftszweige, die die Technologien bereitstellen und die Anlagen betreiben, sowie die Exportmöglichkeiten der Technologien in Länder, die eine starke Zunahme des Energieverbrauchs verzeichnen (z.B. China), erscheint sehr viel versprechend.
Der Verkehrssektor in der EU war 2005 fast vollkommen (98 %) von Erdöl abhängig und benötigte ca. 67 % des EU-Bedarfs an Erdöl. Die CO2-Emissionen des Verkehrssektors werden zwischen 1990 und 2010 um 50 % auf ca. 1,1 Mrd. t/a steigen (EU-Kommission, 2003). Hauptverantwortlich dafür sind die starken Zuwächse des Straßengüterverkehrs. Die Reduktion des Flottenverbrauchs wird dadurch mehr als kompensiert.
Um diesem Trend entgegenzuwirken und um die Erdölabhängigkeit in diesem Sektor zu reduzieren, setzt die EU und auch die Bundesrepublik Deutschland (EU-Kommission, 2001; Bundesregierung, 2004) neben dem Ausbau des Güterbahntransports und der Entwicklung alternativer Antriebe auf die weitere Reduktion des Flottenverbrauchs und vor allem auf die Erhöhung des biogenen Anteils in Otto- und Dieselkraftstoffen. Es wird davon ausgegangen, dass die heutigen Otto- und Dieselmotoren über das Jahr 2020 hinaus die Hauptantriebe im Straßenverkehr bleiben werden, wobei der Anteil an gasbetriebenen, Hybrid- und Wasserstoff-Fahrzeugen zunehmen wird.
Bei Otto- und Dieselkraftstoffen sieht die Biokraftstoffrichtlinie der EU (EUKommission, 2003) vor, im Jahr 2005 einen Anteil von 2 % Biokraftstoffen bzw. biogenen Anteilen im Kraftstoff zu erreichen. 2010 soll dieser Anteil auf 5,75 % steigen und 2020 einen Anteil von 8 % erreichen. Die Kraftstoffqualitäten und -normen sollen dadurch nicht beeinflusst werden. Der biogene Mischungsanteil ist begrenzt und beträgt bei Biodiesel 5 %. Bei Bioethanol und ETBE[2] liegt der Mischungsanteil bei max. 5 bzw. 15 %. Für Synthesekraftstoffe aus Biomasse ist keine Begrenzung des Mischungsanteils gegeben.
Neben der Erhöhung des biogenen Anteils im Kraftstoff zeichnet sich ein weiterer Trend bei der Entwicklung hin zu reineren und qualitativ hochwertigeren Kraftstoffen ab. Diese Entwicklung ist vor dem Hintergrund der verschärften Abgasnorm EU-5 zu sehen, die 2009 in Kraft treten wird. Die Steigerung der Qualität soll über schwefelfreie und aromatenarme Kraftstoffe und durch Zumischung von Synthesekraftstoffen erreicht werden. Synthesekraftstoffe werden durch Synthese eines CO/H2 reichen Gases hergestellt, welches durch die Vergasung von Erdgas, Kohle oder Biomasse erzeugt wird. Je nach Ausgangsstoff werden die Synthesekraftstoffe GTL (Gas to Liquid), CTL (Coal to Liquid) oder BTL (Biomass to Liquid) genannt. Diese Kraftstoffe sind aufgrund des Produktionsprozesses äußerst rein und ihre Eigenschaften (z.B. Siedetemperatur, Zündverzug) lassen sich in einem bestimmten Rahmen verändern. Die Automobilindustrie spricht in diesem Zusammenhang auch von Designerkraftstoffen, durch die Verbrennungsmotoren effizienter gestaltet werden können.
Biodiesel, Bioethanol und ETBE können den biogenen Anteil im Kraftstoff entsprechend der Zumischungsbestimmung erhöhen, verbessern dessen Qualität aber nur bedingt. Der Biodieselabsatz lag in Deutschland Ende 2005 bei ca. 1,8 Mio. t pro Jahr bzw. bei ca. 6 % des Dieselabsatz’ (Bockey, 2006). Der Biodieselanteil am Gesamtdieselverbrauch von 5,75 %, der für das Jahr 2010 geplant ist, könnte so schon heute erfüllt werden. Dem Ottokraftstoff lassen sich Bioethanol und ETBE zumischen. Im Jahr 2004 wurden in Deutschland ca. 220.000 t Bioethanol produziert. Die weltweite Bioethanolproduktion lag 2003 bei ca. 33 Mio. t und ist weiter steigend (Schmitz, 2006), so dass durch Zubau von Bioethanolanlagen in Deutschland oder den Kauf von Bioethanol auf dem Weltmarkt die Zielvorgaben 2010 und auch 2020 erreicht werden können.
Bei den Dieselkraftstoffen ist der biogene Anteil von 8 % im Jahr 2020 mit Biodiesel kaum zu realisieren. Limitierend auf die Ausweitung des Biodieselanteils wirken die Zumischungsbeschränkung und der Rückgang der Kraftfahrzeuge, die für reinen Biodiesel ausgelegt sind. Darüber hinaus ist die Biodieselproduktion 2 ETBE (Ethyl-Tertiär-Butyl-Ether) wird aus Bioethanol und Isobutylen hergestellt. Es kann MTBE (Methyl-Tertiär-Butyl-Ether) aus Methanol ersetzen, das für die Erhöhung der Klopffestigkeit dem Kraftstoff zugemischt wird. durch die Rapsanbaufläche begrenzt ist. Hier werden große Hoffnungen in Synthesekraftstoffe aus Biomasse gesetzt. Durch BTL kann nicht nur der biogene Anteil im Kraftstoff ohne Zumischungsbeschränkung erhöht werden, sondern auch dessen Qualität gesteigert werden, was bei den Biokraftstoffen einmalig ist.
Als Biomasse für die BTL-Produktion können alle lignocellulosen Pflanzen herangezogen werden. Bei den lignocellulosen Pflanzen wird zwischen langsam wachsenden, wie Holz und schnell wachsenden, wie z.B. Stroh unterschieden, die sich vor allem im Aschegehalt und in der Struktur unterscheiden. Allein das jährliche Aufkommen an biogenen Reststoffen im wasser- und aschefreien Zustand lag in Deutschland 2002 bei rund 70 Mio. t (Leible et al., 2006). Knapp die Hälfte davon fällt in der Land- und Forstwirtschaft in Form von überschüssigem Getreidestroh und Waldrestholz an und werden derzeit nicht bzw. nur in einem geringen Umfang genutzt. Der Energiegehalt des Getreidestrohs und des Waldrestholzes liegt bei ca. 630 PJ/a. Durch den Anbau von Energiepflanzen, wie z.B. Triticalen und Mehrjahrespflanzen, kann zusätzliches Biomassepotenzial geschaffen werden. Zu beachten ist, dass die Wärme- und Stromproduktion aus Stroh und Waldrestholz in Konkurrenz mit der Kraftstoffproduktion aus diesen Einsatzstoffen steht.
Die Technologie zur BTL-Produktion steht heute noch nicht zur Verfügung. Einzelne Prozesskomponenten der BTL-Produktion sind jedoch bereits Stand der Technik. So stehen z.B. für die Synthesegasaufbereitung und für die FT-Synthese mit anschließender Kraftstoffaufbereitung großtechnische Verfahren zur Verfügung. Durch die lange Tradition der Synthesegasherstellung aus Kohle und Rückstandsölen existieren darüber hinaus Vergaser, die für die Vergasung von verschiedenen Lignocellulosen geeignet erscheinen.
Stroh und Waldrestholz weisen im Gegensatz zu Erdgas, Erdöl oder Kohle Besonderheiten auf, die große Herausforderungen an den Gesamtprozess stellen:
Für die Produktion von BTL-Kraftstoffen werden derzeit verschiedene Konzepte entwickelt (FNR, 2005). Die Wahl des Vergasers hat unmittelbare Auswirkungen auf die Konditionierung der Biomasse und des Rohsynthesegases. Der Vergaser sollte nach Boerrigter und van der Drift (2005) folgende technische Kriterien erfüllen:
Der Flugstrom-Druckvergaser mit flüssigem Schlackeabzug ist der einzige Vergasertyp, der alle diese Kriterien erfüllt. Er stellt jedoch die höchsten Anforderungen an die Konditionierung der Biomasse. Momentan werden drei verschiedene Verfahren zur Aufbereitung der Biomasse für den Eintrag in einen Flugstromdruckvergaser verfolgt (Boerrigter und van der Drift, 2005; Henrich et al., 2004 und Choren, 2006):
Aufgrund der politischen Zielsetzung und um dem Auftrag der Vorsorgeforschung nachzukommen, hat das Forschungszentrum Karlsruhe ein langfristig angelegtes Projekt zur „Synthesegaserzeugung aus Biomasse“ begonnen, um die Synthesegaserzeugung aus Biomasse für verschiedene Synthesen (wie Fischer- Tropsch, Methanol oder Ammoniak) weiter zu entwickeln. Dabei werden vor allem auch stark asche-, kalium- und chlorhaltige halmgutartige Biomassen, wie Stroh berücksichtigt.
Im Mittelpunkt des Konzepts des Forschungszentrums Karlsruhe (Henrich et al., 2004) steht der GSP[3]-Vergaser. Es handelt sich dabei um einen Flugstrom- Druckvergaser mit Schlackekühlschirm, der 1976 im Deutschen Brennstoff Institut in Freiberg (Sachsen) für die mitteldeutsche Salzbraunkohle entwickelt wurde. Der Vergaser ist für aschehaltige Einsatzstoffe ausgelegt und kann alle möglichen Slurrys (Flüssig/Feststoff-Suspensionen) ab einem Heizwert Hi von ca. 10 MJ/kg sicher vergasen. Es entsteht ein nahezu teerfreies Synthesegas, was 3 GSP: Gaskombinat Schwarze Pumpe; 4 LR: Lurgi-Residue Vorteile bei der Gasreinigung mit sich bringt. Zurzeit existiert ein technischer 130-MWth-GSP-Vergaser bei der Fa. Sustec Schwarze Pumpe GmbH in Spreetal und ein kleiner 5-MWth-GSP-Pilotvergaser bei der Fa. Siemens Fuels Gasification Technology, in Freiberg.
Das zweite Kernstück des Konzepts ist die Schnellpyrolyse, durch die Stroh und Waldrestholz für den Einsatz im Flugstromdruckvergaser aufbereitet werden können. Dabei werden die Einsatzstoffe verflüssigt und mit dem anfallenden Koks zu einer Slurry verarbeitet. Die Slurry beinhaltet mehr als 90 % der ursprünglichen Biomasseenergie. Als Schnellpyrolyse-Verfahren wurde das LR[4]- Verfahren der Fa. Lurgi gewählt, die dieses Verfahren schon im kommerziellen Maßstab zur Pyrolyse von Teersanden eingesetzt hat.
Die Verfahrensschritte Schnellpyrolyse und Vergasung können räumlich voneinander getrennt werden (dezentrale Variante). Durch die Trennung kann dem dezentralen Anfall von Stroh und Waldrestholz Rechnung getragen werden, indem in mehreren Schnellpyrolyse-Anlagen Stroh und Waldrestholz verflüssigt und als Slurry, mit einer max. zehnmal höheren Energiedichte zu einer zentralen Anlage zur weiteren Verarbeitung transportiert werden.
Vor allem im Bereich der Schnellpyrolyse bestehen Wissensdefizite, die es bis jetzt noch nicht erlauben das Verfahren zu bewerten und in vorhandene und künftige Märkte einzuordnen. Im Mittelpunkt dieser Arbeit stehen daher die folgenden Fragen:
Es ist das Ziel der vorliegenden Arbeit, die dezentrale Variante des Konzepts des Forschungszentrums Karlsruhe zur Produktion von Synthesekraftstoffen aus Stroh und Waldrestholz systemanalytisch zu untersuchen und eine erste Bewertung des gesamten Verfahrens von der Biomassebereitstellung bis zur Kraftstoffproduktion vorzunehmen. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt in der Analyse der Schnellpyrolyse, der in diesem Gesamtkomplex am wenigsten bekannten Technologie. Mit den systemanalytischen Untersuchungen sollen die oben aufgeführten Fragen wissenschaftlich beantwortet werden. Darüber hinaus leistet die Arbeit einen Beitrag zur Weiterentwicklung von Methoden zur systemanalytischen Untersuchung neuer Technologien.
Die Entwicklung einer Technologie ist ein dynamischer Prozess, der von vielen Faktoren beeinflusst wird, wie z.B. von politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, sowie von technischen und ökonomischen Erwartungen. Ziel der systemanalytischen Untersuchung von solchen sich in der Entwicklung befindenden Technologien ist es, für jeden dieser Faktoren (oder Dimensionen) Kenngrößen zu erarbeiten, die es dann ermöglichen, die Technologie integrativ zu betrachten, zu bewerten und zu vergleichen.
Die vorliegende Arbeit untersucht vor allem technische und ökonomische Kenngrößen, wobei daraus umweltrelevante Kenngrößen, wie die CO2-Minderung und -Minderungskosten gegenüber einer fossilen Referenz, abgeleitet werden können. Für eine erste Bewertung der Produktion von Synthesekraftstoffen werden diese Kenngrößen als ausreichend erachtet und in Form von Massen- und Energiebilanzen sowie spezifischen Produktionskosten für verschiedene Anlagengrößen dargelegt.
In Kapitel 2 wird der Stand der Technik zur Schnellpyrolyse analysiert, und die verfahrenstechnischen Unsicherheiten, die beim jetzigen Stand der Entwicklung vorhanden sind, werden herausgearbeitet. Durch das Offenlegen der verfahrenstechnischen Unsicherheiten wird die Kluft zwischen dem aktuellen Stand der Entwicklung und der ersten kommerziell zu betreibenden Anlage sichtbar. Darüber hinaus lassen sich mit diesem Wissen die Unsicherheiten, die in die Berechnung der Kenngrößen eingehen, abschätzen.
In Kapitel 3 wird für die weitergehenden Untersuchungen eine Modellanlage zur Schnellpyrolyse aus Stroh und Waldrestholz nach dem Konzept des Forschungszentrums Karlsruhe konzipiert. Dazu wird zuerst die Schnellpyrolyse in den gesamten Herstellungsprozess eingeordnet, und die Bereitstellung von Stroh und Waldrestholz wird beschrieben. Danach erfolgt der eigentliche Aufbau der Mo8 dellanlage zur Schnellpyrolyse, für die die verfahrenstechnischen Unsicherheiten durch Annahmen ersetzt werden, die durch Experteninterviews auf Plausibilität überprüft werden. Darüber hinaus wird die Auswahl der herangezogenen Anlagenkomponenten erläutert.
Die Modellanlage wird in Form von Grund- und Verfahrens-Fließbildern auf verschiedenen Abstraktionsebenen dargestellt, worin jedes dargestellte Modul als ein geschlossenes Input-Output-System angesehen werden kann und dann Grundlage für die Bilanzierung des Herstellungsprozesses bzw. der Prozesskettenanalyse und damit für die Berechnung der Kenngrößen ist.
In Kapitel 4 werden die methodischen Ansätze zur Berechnung der technischen und ökonomischen Kenngrößen der Schnellpyrolyse-Anlage ausgearbeitet, die auch für die Anlage zur Produktion von Synthesekraftstoffen aus Pyrolyseslurry eingesetzt werden können. Im Mittelpunkt stehen die Gleichungen für die Massen- und die Energiebilanz, die Definition von Anlagenleistungen und -wirkungsgraden, sowie die Gleichungen zur Berechnung der Produktkosten. Die Ansätze bzw. Gleichungen sind an das zuvor definierte System angepasst worden und soweit mathematisch ausformuliert, dass sie in jeder Entwicklungsphase der Technologie, d.h. bei Vorhandensein von neuem Wissen und neuen Daten, angepasst und verfeinert werden können. So wird gewährleistet, dass nicht nur eine systemanalytische Momentaufnahme der Schnellpyrolyse- Technologie dargestellt wird, sondern eine permanente systemanalytische Begleitforschung entlang der Entwicklung, u.U. mit Einbeziehung weiterer Kenngrößen, möglich ist.
Die methodischen Ansätze zum Lernen in Produktionssystemen bzw. zu Lernkurven sind ein Schwerpunkt in Kapitel 4. Lernkurven sind durch Beobachtungen abgerechneter Anlagen bekannt und finden z.B. Anwendung in Energie modellen, wie Markal (Tseng et al., 1999). Mit Lernkurven ist es möglich, die Entwicklung der Produktionskosten nach der Markteinführung abzubilden und somit einen Vergleich der Technologie im ausgereiften Entwicklungsstadium mit anderen bekannten Technologien durchzuführen.
Kriterien, die bei der Anwendung von Lernkurven auf neue Technologien zu beachten sind, sind in der Literatur nur implizit zu finden. Aus diesem Grund werden in der vorliegenden Arbeit explizit Kriterien erarbeitet, unter welchen Umständen Lernkurven belastbar eingesetzt werden können. Darüber hinaus werden Größenordnungen von Lernen in Produktionssystemen analysiert, und es wird ein Fortschrittsfaktor für die Schnellpyrolyse-Modellanlage definiert.
In Kapitel 5 wird die Prozesskette der Schnellpyrolyse analysiert. Die Herkunft und die Qualität der eingehenden Daten werden dargelegt, und mit den methodischen Ansätzen werden die Kenngrößen für die Modellanlage berechnet. Eine Sensitivitätsanalyse aller eingehenden Daten wird durchgeführt, um so den Einfluss von Unsicherheiten auf das Gesamtergebnis zu erhalten.
Anschließend wird in Kapitel 5 das Lernpotenzial der Schnellpyrolyse anhand der in Kapitel 4 hergeleiteten Lernkurve und des Fortschrittsfaktors in Form von Slurrykosten dargelegt. Dafür wird ein Schnellpyrolyse Szenario für Deutschland bis zum Jahr 2020 aufgebaut um darzulegen, mit welchen Voraussetzungen die Slurrykosten berechnet werden.
In Kapitel 6 werden die technischen und ökonomischen Kenngrößen für die Produktion von Synthesekraftstoffen aus Pyrolyseslurry dargelegt. Dafür wird am Anfang der Stand der Technik erarbeitet, und die Modellanlage wird definiert. Anschließend wird die Herkunft der technischen und ökonomischen Kenngrößen erläutert, und die Produktionskosten für Synthesekraftstoffe aus Pyrolyseslurry werden für zwei Anlagengrößen, sowie mit und ohne Lerneffekten nach dem Schnellpyrolyse Szenario dargelegt.
In Kapitel 7 erfolgt die Zusammenfassung der Ergebnisse, und es wird ein Fazit gezogen. Dabei werden die Fragen aus Kapitel 1.1 beantwortet, und es wird diskutiert, welche Auswirkungen die Ergebnisse auf die Entwicklung der Technologie und auf die Notwendigkeit, sowie den zeitlichen und finanziellen Umfang der Förderung haben.
Mit dieser Arbeit wird es möglich die Schnellpyrolyse zu bewerten und einzuordnen. Hierdurch stehen den Akteuren, die an der Entwicklung des Verfahrens des Forschungszentrums Karlsruhe beteiligt sind, fundierte Entscheidungsgrundlagen zur Verfügung, um das Verfahren möglichst zielorientiert zu entwickeln und zu fördern.
Darüber hinaus wurde der Einsatz von Lernkurven bei systemanalytischen Untersuchungen neuer Verfahren untersucht und bewertet. Es wurden neue Kriterien definiert, mit denen Lernkurven auf neue Verfahren angewendet werden können.
Durch den modularen Aufbau des Anlagenmodells und des Berechnungsmodells für die technischen und ökonomischen Kenngrößen können in jeder Entwicklungsphase verschiedene Schnellpyrolyseverfahren, sowie konkurrierende Verfahren einheitlich verglichen werden.
[1] Gtoe: Giga Tonne Öläquivalent (1 toe=41.868 MJ)
[2] ETBE (Ethyl-Tertiär-Butyl-Ether) wird aus Bioethanol und Isobutylen hergestellt. Es kann MTBE (Methyl-Tertiär-Butyl-Ether) aus Methanol ersetzen, das für die Erhöhung der Klopffestigkeit dem Kraftstoff zugemischt wird.
[3] GSP: Gaskombinat Schwarze Pumpe;
[4] LR: Lurgi-Residue