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Grunwald, Armin: Handeln und Planen. München: Wilhelm Fink Verlag 2000 (Neuzeit & Gegenwart), ISBN 3-7705-3487-5


1.     Einleitung und Überblick

Nahezu jede planungstheoretische Arbeit beginnt mit der Betonung der Bedeutung von Planung in der Praxis (z. B. Kaiser 1965, Chadwick 1978, Feick 1980, Schneeweiß 1991). In der Tat stellt Planung inmitten des politischen, wirtschaftlichen, technischen und lebensweltlichen Handelns einen unverzichtbaren Bestandteil jeglicher Kultur und, in Form wissenschaftlicher Planung, insbesondere der modernen Gesellschaft dar: Planung ist Bestandteil aller gesellschaftlichen Praxen. Methodisch-kulturalistischer Philosophie, verstanden als wissenschaftliche Befassung mit den Geltungsbedingungen, Prämissen und Präsuppositionen gesellschaftlicher Praxen unter dem Ziel rationaler Kulturkritik (Hartmann/Janich 1996b), stellt sich daher auch die Aufgabe der Beschäftigung mit Theorie und Praxis der Planung und der Planungswissenschaften. [1]

Verwunderlich mag erscheinen, daß angesichts der großen Bedeutung der Planungspraxen und ihrer Resultate für Gegenwart und Zukunft der Gesellschaft im Ganzen und für ihre individuellen Mitglieder Begriff und Theorie der Planung seitens der Philosophie eine bisher nur geringe Aufmerksamkeit gefunden haben. Bedenkt man, in welch hohem Maße typische Planungswissenschaften wie die Ingenieurwissenschaften zur Planung von Technik, die Ökonomie zur Planung volkswirtschaftlicher oder betrieblicher Kenngrößen, die Politikwissenschaften zur Planung zukünftiger politischer Konstellationen und zur Sicherung der Lebensgrundlagen die Zukunft der Gesellschaft prägen, sind es doch gerade die Methoden und Resultate dieser Wissenschaften, die der philosophischen Rekonstruktion, Beurteilung und Kritik dringend bedürfen.

Insofern ein Interesse der Philosophie an Planung und Planungstheorie überhaupt bestand, ist es in der Regel auf dem Hintergrund der Auseinandersetzung zwischen dem orthodoxen Marxismus und dem Kritischen Rationalismus im Kontext der Geschichtsphilosophie einzuordnen: rationale Planung der Geschichte - nach welchem Konzept auch immer - oder eine vom Inkrementalismus geprägte "offene Gesellschaft"? Während philosophische Implikationen dieser Frage vor allem in den sechziger und siebziger Jahren diskutiert wurden (Anhang A1.4), ist seitdem das philosophische Interesse an der Planungstheorie fast erloschen. [2] Dieses abflauende Interesse geht einher mit einem seit den siebziger Jahren abnehmenden gesellschaftlichen Interesse für Planung, mit der Renaissance des Neoliberalismus und seiner ausgeprägten Aversion gegenüber dem Planungsbegriff sowie mit dem Aufkommen von evolutionstheoretisch geprägten Selbstorganisationstheorien (Kap. 5.3).

Dieser kontingente zeitgeschichtliche Hintergrund verdeckt jedoch die Uneingelöstheit und ungebrochene Aktualität vieler Fragen im Hinblick auf Theorie und Praxis der Planung.

    "Das Scheitern von Planungsversuchen und Reformprogrammen .... hat zu einem umgekehrten Trend geführt ... [dem Abrücken von einer gewissen Planungseuphorie, A.G.]. Die Literaturwelle paßt sich dem an, die Probleme sind jedoch geblieben, praktisch wie theoretisch" (Feick 1980, S. 9).

Diese Probleme reichen von wissenschaftstheoretischen Fragen des Geltungsanspruches planungsrelevanter Vorhersagen bis zu Fragen der ethischen Bedeutung gegenwärtiger Planung für zukünftig davon Betroffene, von der Frage der Planungsrationalität und ihrer Grenzen bis zu Verfahren transsubjektiver Begründung und Rechtfertigung planungsrelevanter Sätze, von Fragen nach einem zweckrational gerechtfertigten Terminologiegerüst bis hin zu handlungstheoretischen Problemen des Planungsrisikos und zur Wissenschaftstheorie der Planungswissenschaften, wie sie teilweise bereits von Lenk (1972) genannt wurden. Die gegenwärtige Situation bietet, nach dem Verlust ideologiebedingter Feindbilder, die Möglichkeit, rational über Planung zu reden, ohne voreilig die Begriffe "Planung" und "Planwirtschaft" synonym zu verstehen. Dies ist eine günstige Ausgangssituation, um einerseits den Planungsbegriff zu rehabilitieren, um andererseits aber die Planungspraxen der modernen Gesellschaft einer systematischen und methodischen Kritik zuallererst zugänglich zu machen, indem die handlungstheoretische Struktur des Planens und das Reden über das Planen thematisiert werden.

Gerade dies ist das Anliegen einer sich als kulturalistisch verstehenden philosophischen Planungstheorie. Planung wird als Element der Gestaltung der lebensweltlichen und gesellschaftlichen Zukunft verstanden; Zukunft selbst wird als ein der intentionalen und reflektierten Gestaltung offener Raum angesehen. [3] Dies bezeichnet die Differenz zu naturalistischen, oftmals an evolutionstheoretischen Analogiebildungen orientierten Planungsbegriffen, wie auch zu systemtheoretisch verkürzten Ansätzen, denen das Moment der aktiven Gestaltung der Zukunft durch Planung abhandengekommen ist. Als philosophische Planungstheorie versteht sich der vorliegende Ansatz dahingehend, daß der Planungsbegriff nicht auf bestimmte gesellschaftliche Praxen (z. B. betriebliche Planung) beschränkt wird, sondern die allgemeine Struktur des planenden Handelns Gegenstand der Rekonstruktion ist. Dabei geht es nicht um eine empirische Erfassung unter bestimmten (z. B. psychologischen oder sozialwissenschaftlichen) Erkenntnisinteressen, sondern darum, investierte Präsuppositionen aufzudecken und die Möglichkeiten der Einlösung dabei erhobener Geltungsansprüche zu untersuchen.

Mit der "Rehabilitation des Planungsbegriffs" ist selbstverständlich keine Rückkehr zur Planungseuphorie der sechziger Jahre verbunden (z.B. Kaiser 1965/1966), sondern es ist auch eine Aufgabe der kulturalistischen Planungstheorie, die Grenzen rationaler Planbarkeit zu analysieren. Auf der anderen Seite steht aber auch die Planungsskepsis vor allem der Soziologie zur kritischen Beurteilung an (Luhmann 1978, 1984, 1990, auf anderem theoretischen Hintergrund bereits Tenbruck 1972). Ein Ziel der vorliegenden Arbeit besteht gerade darin, die Möglichkeiten rationaler Planung zwischen Planungseuphorie und Planungsskepsis zu ergründen. Aus diesem Anspruch ergeben sich Herausforderungen an die Philosophie weitab von ihren "klassischen" (geschichtsphilosophischen) Berührungspunkten zur Planungstheorie, nämlich in Handlungstheorie, Sprachphilosophie und Wissenschaftstheorie. Zunächst sind relevante Entwicklungen in diesen Bereichen zu berücksichtigen. Selbst der "linguistic turn" ist bislang in philosophischen Arbeiten zu Planung kaum ernstgenommen worden - darauf weist bereits Lenk (1972) hin. In diesem Zusammenhang sind weiterhin

zu nennen. Es besteht also in mehrfacher Hinsicht ein Defizit und Nachholbedarf in der philosophischen und wissenschaftstheoretischen Auseinandersetzung mit Planung.

Insofern tatsächlich philosophisch relevante planungstheoretische Arbeiten vorliegen, sind diese fast sämtlich in den Wirtschaftswissenschaften entstanden und auf der Basis des Kritischen Rationalismus als faktisch vorherrschender Wissenschaftstheorie dieses Bereiches angesiedelt (z. B. Stachowiak 1970, Urban 1973, Braun 1977, Albert 1978, Schneeweiß 1992). Kritik an den Grundlagen des Kritischen Rationalismus (vgl. z. B. Janich/Kambartel/Mittelstraß 1974, Hartmann / Janich 1996b) hat daher auch Auswirkungen auf diese Arbeiten zur Planungstheorie und weist auf einen Revisionsbedarf hin. In der Auseinandersetzung zwischen Kritischem Rationalismus und methodischer Wissenschaftstheorie wird mit der vorliegenden Arbeit die im Bezug auf Planungstheorien bisher bestehende Lücke geschlossen. In der Tat lassen sich zwischen planungstheoretischen Konzeptionen und wissenschaftstheoretischen Positionen Verbindungen herstellen. Camhis (1979) benennt die verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen wissenschaftstheoretischem Verifikationismus und planungstheoretischem Rationalismus, zwischen Falsifikationismus und Inkrementalismus (Poppers "Stückwerktechnologie"), zwischen der Methodologie der Forschungsprogramme (Lakatos) und der Operationalisierung der Planung als Entscheidungsprozeß durch Etzioni (1973). Diese Verbindungen werden im Laufe der vorliegenden Arbeit analysiert, sowohl um etwaige Theorieteile aus der planungstheoretischen Tradition für die kulturalistische Planungstheorie nutzen wie auch, um vorliegende Positionen methodisch begründet kritisieren zu können.

Besondere Bedeutung hat, fernab der geschichtsphilosophischen Dimension der früheren Diskussionen, der Planungsbegriff in neuen Entwicklungen der Kognitionswissenschaften, der Forschungen zur "Künstlichen Intelligenz" (KI) und in den Anwendungen der Robotik gewonnen (z. B. Pollock 1995). Modellierung und Simulation von Handlungs- und Entscheidungsprozessen, die durch Fortschritte in der Sensorik und der Informationsverarbeitung möglich gewordene Orientierung eines Roboters in einer fremden Umgebung etc. haben dazu geführt, daß bereits davon geredet wird, ein Roboter könne seine "Handlungen" "planen", er könne Ziele setzen etc. Eine kritische Untersuchung dieser planungstheoretisch relevanten, anthropomorphen Redeweisen ist Bestandteil des vorliegenden Buches (Kap. 5.2).

Die kulturalistische Aufgabe, das Planen in seiner sprachlichen Zugänglichkeit und seiner Struktur zu verstehen, um es kritisieren zu können, ist methodisch dem pauschalisierenden Reden über Planung als "Weg zur Knechtschaft" (Hayek) oder als "Verortung der Utopie" (Kaiser 1965, S. 11) weit vorgelagert. Sie besteht in einem methodischen Neuanfang, beginnend mit einer Handlungstheorie des Planens und der Rekonstruktion des Redens über das Planen, um explizite Klärungen zu erreichen und zu rechtfertigen. Es geht in dieser Arbeit also um eine begriffliche und methodische Anstrengung, die einen Anfang für eine Kulturkritik der Planung auf der Basis des Methodischen Kulturalismus setzen soll. Planen soll zu diesem Zweck in der vorliegenden Arbeit nicht fachwissenschaftlich oder gegenstandsbezogen verstanden werden, sondern als zweckinvariante Handlungsstruktur interessieren, welche zu verschiedensten Zwecken eingesetzt werden kann:

Der Terminus Planen beschreibt eine Handlungsart (Hartmann 1996), in der spezielle Praxen dieser Gesellschaft zusammengefaßt werden (Kap. 3.1). Der Planungstheorie stellen sich zwei Aufgaben, eine rekonstruktive und eine konstruktive:

(1) Rekonstruktion des Planens

Vorfindliche Planung in Gegenwart oder Vergangenheit ist in Bezug auf ihr Zustandekommen, ihre Zwecke, ihren Kontext, ihre Rationalität etc. zu rekonstruieren. Objekt der Rekonstruktion können explizit vorliegende Pläne, beobachtungssprachlich gefaßte Sätze über geplante Handlungen oder über geplante Sachverhalte sein. Ein Ziel bestimmter Kulturwissenschaften bildet die Rekonstruktion bereits erarbeiteter oder ausgeführter Planungen oder Pläne. Hier sind vor allem die Geschichtswissenschaften einschließlich der Archäologie zu nennen, aber auch die Kriminalwissenschaft, in denen es unter sehr verschiedenen Zwecken unter anderem um die Rekonstruktion vergangener geplanter Handlungen geht. Die kulturalistische Planungstheorie stellt die methodische Basis derartiger fachwissenschaftlicher Bemühungen bereit. Ihre Aufgaben sind, eine entsprechende Terminologie aufzubauen und zu rechtfertigen, Methoden zur Verfügung zu stellen und in Bezug auf ihre Leistungsfähigkeit zu beurteilen, methodologische Probleme aufzudecken sowie die Grenzen der Rekonstruierbarkeit zu analysieren.

(2) Lösung von Planungsaufgaben

Planungsaufgaben treten in Lebenswelt, Gesellschaft und den Wissenschaften auf. Das praktische Interesse an einer Planungstheorie ist gekennzeichnet durch die Hoffnung auf eine wie auch immer geartete Verbesserung dieser Planungspraxen durch theoretische Reflexion. [5] Die in Frage stehende Situation ist komplementär zu dem obigem Fall: es liegt ein Problem vor, zu dem ein Plan als Lösungsidee gesucht wird. In dieser Fragerichtung geht es nicht um rekonstruierendes Verstehen des Planens, sondern um konstruktive Beiträge zu Problemlösungen. Kulturalistische Planungstheorie kann nicht direkte, unmittelbar einsetzbare Hilfen für den Planer geben. Sie beansprucht aber als eine handlungstheoretische Grundlagenarbeit, relevante methodische, prozedurale und terminologische Unterstützung zu leisten. [6]

Diese beiden Teilstücke der Planungstheorie sind aufeinander bezogen. Denn wenn die Planungspraxen methodisch rekonstruiert werden, in denen wir uns handelnd "immer schon" bewegen, dient diese theoretische Bemühung auch dem Zweck, das unreflektierte Planen durch die Reflexion in bestimmten Hinsichten zu verbessern. In diesem Sinne bildet die planungstheoretische Rekonstruktion ein Element reflexiver, unter einem emanzipatorischen Interesse gerechtfertigter Aufklärung. Dementsprechend stellt das Lernen aus der Rekonstruktion der Mißerfolgsgründe von Planung die wesentliche Verbindungsstelle beider Theorieteile dar. Offensichtlich ist zunächst die Frage nach der Erklärung planenden Handelns zu beantworten, bevor Vorschläge zur Problemlösung durch eine methodisch abgesicherte Planungstheorie unterbreitet und gerechtfertigt werden können. Denn es können die erforderlichen sprachlichen Mittel nur durch die rekonstruierende Erklärung gewonnen und gerechtfertigt werden. Wissenschaftstheoretische Hilfestellungen für die Praxis gehen von dem durch die Rekonstruktion erreichten Stand aus; letzterer bildet damit ein "lebensweltliches Apriori" (Mittelstraß 1984, 1991) der Planungstheorie.

Planen stellt eine spezifische Weise des (sprachlichen) Handelns dar (dies soll ausdrücklich das Denken als "Selbstgespräch" umfassen, vgl. Kamlah 1973). Aus dieser unstrittigen Feststellung resultieren zwei Desiderate an Planungstheorien, die trotz ihrer weitgehenden Trivialität bislang kaum oder gar nicht berücksichtigt worden sind. Zunächst gilt analytisch, daß, wenn das Planen ein Handeln darstellt, eine Theorie des Planens ein Teilgebiet der allgemeinen Handlungstheorie bilden sollte, oder, etwas stärker formuliert, daß die Planungstheorie auf einer allgemeinen Handlungstheorie aufruhen und durch spezialisierende Unterscheidungen aus dieser hervorgehen sollte. Weiterhin stellt sich das Problem der Abgrenzung des Planens vom nicht-planenden Handeln, wodurch erst die Rede von einer eigenen Planungstheorie seine Berechtigung finden würde. Die diesbezügliche Analyse vorliegender Planungstheorien führt jedoch zu einem weitgehend negativen Resultat:

  1. Vorliegende Planungstheorien rekurrieren in nahezu keiner Weise explizit auf den Handlungsbegriff, schon gar nicht auf einen terminologisch fundierten Handlungsbegriff. Zu nennen sind hier vor allem die planungstheoretischen Entwürfe von Stachowiak (1970), Etzioni (1973), Lindblom (1973), Popper (1974), Braun (1977), Chadwick (1978), Albert (1978), Schneeweiß (1991) und Adam (1993). In einigen Arbeiten wird der Handlungsbegriff zwar genannt, hat aber keine erkennbaren Auswirkungen auf die Theorie. Häufig wird der Planungsbegriff auf die Ebene betriebswirtschaftlicher (z. B. Schneeweiß 1991/1992) oder gesamtgesellschaftlicher Planung eingeschränkt (Bettelheim 1967, Tenbruck 1972, Albert 1978) und unter sozialwissenschaftlichem Blickwinkel eher als Verhalten denn als Handeln - zu dieser Unterscheidung vgl. Kap. 2.1.1 - erfaßt (besonders in systemtheoretischen Arbeiten, Anhang A1.2). Die handlungstheoretische Basis des Planungsbegriffs bleibt dabei völlig unkenntlich. Eine methodisch zufriedenstellende handlungstheoretische Fundierung des Planungsbegriffs steht aus.

  2. Vice versa ist zu konstatieren, daß in gängigen Handlungstheorien planendes Handeln nicht gesondert berücksichtigt wird. Vielmehr sind die in diesen Handlungstheorien verwendeten und analysierten Beispiele wie z. B. das Öffnen eines Fensters oder das Heben des Armes in der Regel derart simpel, daß der Blick auf Planung bereits durch die Wahl der Beispiele verstellt wird. So wird am methodischen Beginn der Analyse die Reichweite der Handlungstheorie in unzulässiger Weise eingeschränkt: "... philosophers have usually focussed on intentions to perform individual actions rather than multi-step plans" (Pollock 1998a, S. 1, vgl. auch Pollock 1995). Es sind Zweifel daran angebracht, ob eine an den genannten Beispielen orientierte Handlungstheorie ausreichend ist, komplexe Planungen zu rekonstruieren.

  3. Eine systematische Abgrenzung einer Theorie planenden Handelns von der Theorie allgemeinen Handelns liegt bislang nicht vor. Einige Autoren scheinen Planen mit zweckrationalem Handeln zu identifizieren (Schütz 1971, Tenbruck 1972, Kaulbach 1986). Dies ist jedoch nicht zweckmäßig, da dann der Planungsbegriff entbehrlich wäre, und entspricht auch nicht dem faktischen Sprachgebrauch. Außerdem ist der größte Teil des Handelns, z. B. die Ausführung von Plänen, gerade kein planendes Handeln. Es erscheint daher sinnvoll, das Planen inmitten des zweckrationalen Handelns terminologisch durch explizite Vereinbarung auszuzeichnen (Kap. 3.1).

Der sich in diesen Befunden zeigende mangelnde Zusammenhang von Handlungs- und Planungstheorie hat, ohne daß es an dieser Stelle erforderlich wäre, auf nähere Einzelheiten der betreffenden Theorien einzugehen, zur Folge, daß die genannten Planungstheorien notwendigerweise methodische Lücken aufweisen. [7] Denn ein lückenloser Aufbau einer Planungstheorie, wie von der methodischen Wissenschaftstheorie für jegliches, transsubjektive Geltung beanspruchende Theoretisieren gefordert (Janich/Kambartel/Mittelstraß 1974, Lorenzen 1987) muß, wenn Planen ein spezielles Handeln darstellt, die Besonderheiten planenden Handelns inmitten einer allgemeinen Theorie des Handelns rekonstruieren. Der methodische Anfang, auf den jede Grundlegung planenden Handelns rekurrieren muß, liegt dann in der allgemeinen Struktur des Handelns selbst. Ein (Rekonstruktions-) Modell des Handelns muß daher die Basis der rationalen Erklärung planenden Handelns bilden, auf der sowohl die Verschränkung von Planen und Handeln als auch die Besonderheiten des Planens expliziert werden können.

Basis dafür bildet eine Theorie der Zweckrationalität (Kap. 2.2). Der erste Schritt der kulturalistischen Planungstheorie besteht in der Rekonstruktion zweckinvarianter Strukturen des Planens, so z. B. als terminologische und methodische Hilfestellung für die rationale Erklärung historischer Planungen in den Geschichtswissenschaften, aber auch als Basis für die Erarbeitung der Handlungstheorie des Planens. Die formale Pragmatik des Planungswissens, d. h. die Theorie der Verwendung von Wissenskategorien in der Planung, bildet einen wesentlichen Baustein. In weiteren Schritten werden die formalpragmatischen Gründe für den Mißerfolg von Planung durch die Aufdeckung von Wissens- und Zweckmäßigkeitsproblemen des als in der Planung verwendet unterstellten Wissens rekonstruiert. Insofern Planen ein Handeln unter Unsicherheit darstellt, geht es darum, aus der Erklärung des Mißerfolgs von Planung die Möglichkeiten des Lernens aus vergangenen Planungen zu bestimmen (Kap. 3).

Um die Theorie des Mißerfolgs von Planung konstruktiv zur Verbesserung der Planungspraxis und der Planungsrationalität nutzen zu können, wird der Prozeß der Planerstellung als Planungsdiskurs rekonstruiert (Kap. 4). Proponenten und Opponenten vertreten verschiedene Auffassungen hinsichtlich der Planerstellung, d. h. verschiedene Alternativen in Bezug auf zu setzende Planziele wie auch in Bezug auf die Handlungsmittel, die zu ihrer Erreichung in den Plan aufgenommen werden sollen. Im Planungsdiskurs werden diesbezügliche Konflikte argumentativ und verständigungsorientiert bewältigt. Auf diese Weise soll eine rationale und im Sinne der Vermeidung vermeidbarer Planungsfehler optimale prozedurale Grundlage für Planung bereitgestellt werden. Die kulturalistische Planungstheorie nimmt die Funktion einer formalen Pragmatik von Planungsdiskursen (in Anlehnung an Gethmann 1979, 1982) wahr, indem sie sich präskriptiv mit den Regeln von Planungsdiskursen und mit Rationalitätskriterien beschäftigt. Auf der Basis dieser zweckinvarianten Theorie der Planungsdiskurse können sodann in Fortführung der vorliegenden Arbeit materiale Prototheorien objektbezogener Planungswissenschaften an die "abstrakte" kulturalistische Planungstheorie angeschlossen werden, indem fachwissenschaftliche Terminologien und Sätze mit der allgemeinen Planungstheorie verbunden werden. Auch Anschlüsse an "reduktionistische", d. h. von der Zweckrationalität singulärer Handlungen abstrahierende, Planungstheorien (wie etwa ökonomische) können gebildet werden, indem die jeweils vorgenommenen Reduktionen relativ zu den damit verfolgten Zwecken gerechtfertigt werden müssen.

Durch diese Konstruktion entsteht folgendes, methodisch geordnete Theoriengefüge: Die Basis bildet die kulturalistische Handlungstheorie (Hartmann 1996). Innerhalb dieser Handlungstheorie wird die Theorie zweckrationalen Handelns herausgehoben und präzisiert (Kap. 2). Auf der Basis der terminologischen Vereinbarung des Planungsbegriffs (Kap. 3.1) wird dann innerhalb der Theorie der Zweckrationalität die Planungstheorie als allgemeine, d.h. zweckinvariante Theorie des Planens aufgebaut. Diese setzt sich aus einem rekonstruktiven Teil (Kap. 3) und einem konstruktiven Teil (Kap. 4) zusammen. Fügt man zu dieser "Prototheorie der Planung" fachwissenschaftlich-prototheoretische Elemente hinzu, so führt dies auf die Prototheorien von Planungswissenschaften (Kap. 5.1).

Die Aufgabe der Wissenschaftstheorie der Planungswissenschaften ist es, Rationalitätskriterien und Regeln aufzustellen, also normative Anforderungen an wissenschaftliche Planung zu formulieren. Um es schlagwortartig zu sagen, besteht die Aufgabe der Wissenschaftstheorie der Planung darin, Normen planenden Handelns derart zu formulieren, daß ihre Befolgung vermeidbare Planungsrisiken vermeidet, während es in der Ethik der Planung um den rationalen Umgang mit unvermeidbaren Planungsrisiken geht. Diese Überlegungen können in Richtung auf eine methodisch fundierte "Kulturkritik der Planung" fortgeführt werden. [8] Die Ethik der Planung findet einen Gegenstand in mindestens drei Bereichen: erstens in der Beurteilung der Akzeptabilität von unvermeidbaren Planungsrisiken als speziellen Planungsfolgen, zweitens in der diskursiven Bewältigung von Planungskonflikten und drittens in der Beurteilung der Berechtigung einer eventuellen Reduktion zukünftiger Handlungsspielräume durch gegenwärtige Planung (Kap. 5.4).

Durch das vorgelegte Programm dieser Arbeit ist ihre Struktur im wesentlichen prädeterminiert. Dies liegt vor allem an den zugrundegelegten Bauprinzipien methodischer Prototheorien, dem Prinzip des hierarchischen Aufbaus der Fachterminologie, dem Prinzip des hierarchischen Aufbaus der Theorie selbst sowie an der Beachtung des Prinzips der methodischen Ordnung. Um den Gang der Argumentation möglichst stringent zu halten, sind Teile, die für sich genommen wichtig sind, die jedoch entweder starke technische Anteile haben oder für den Aufbau der Theorie nicht unbedingt erforderlich sind, im Anhang aufgeführt. Dies betrifft vor allem die Auseinandersetzung mit paradigmatischen planungstheoretischen Positionen (Anhang A1) und die Bereitstellung orthosprachlicher Mittel, um zeistrukturierte Rede rekonstruieren zu können (Anhang A2).

In der Ausführung dieses Programms wurde auf Formalisierungen weitgehend verzichtet. Lediglich in der Charakterisierung bestimmter sprachlicher Mittel in Planungsdiskursen wurden "protologische" Mittel eingeführt und verwendet, um einige Präzisierungen zu ermöglichen. Sie sind systematisch im Anhang A2 eingeführt. Zur weiteren Orientierung des Lesers sind Verzeichnisse über die terminologisch eingeführten Begriffe, die verwendeten Symbole, die Abbildungen sowie ein Literaturverzeichnis beigefügt.


Anmerkungen

[1] Aufgaben, Ziele und Grundlagen der kulturalistischen Planungstheorie sind als Programm bereits veröffentlicht (Grunwald 1996a).

[2] Eine Ausnahme bildet die Verwendung des Planungsbegriffs in den Kognitionswissenschaften und der Robotik (Kap. 5.2, Anhang A1.2).

[3] Damit ist selbstverständlich keine beliebige Gestaltbarkeit gemeint, wie einige sozialkonstruktivistische Ansätze unterstellen, sondern eine Gestaltbarkeit im Rahmen bestimmter Möglichkeitsfelder.

[4] Lenk (1972, S. 95ff.), der sich Planungsbegriff und -theorie aus wissenschaftstheoretischem Interesse widmet, reagiert bereits thesenhaft auf diese Entwicklung.

[5] Mit der vorliegenden Arbeit werden einige der Themen der Praxeologie (Wissenschaft vom leistungsfähigen Handeln) wiederaufgenommen und weitergeführt, welche von polnischen Philosophen und Sozialwissenschaftlern um Tadeusz Kotarbinski begründet wurde (Kotarbinski 1966a).

[6] Die Einschätzung "Während das Ausarbeiten und die Aufstellung eines Plans noch als relativ einfacher Prozeß beschrieben werden können, liegen die Dinge beim Planvollzug anders" (Kern 1966, S. 355), wodurch Planung zu einer reinen Frage von Macht und Durchsetzungsfähigkeit wird, wird hier nicht geteilt. Im Gegenteil werfen gerade das "Ausarbeiten und die Aufstellung eines Plans" eine Fülle kognitiver und normativer Probleme auf.

[7] Zu den vielen Merkwürdigkeiten in diesem Bereich gehört, daß Schneeweiß (1991/1992) in Verkennung der methodischen Ordnung die handlungstheoretisch und terminologisch relevanten Fragen lediglich als Nachtrag behandelt, der für die eigentliche Planungstheorie nur ein Beiwerk darstellt.

[8] Dies ist im Sinne einer Sprach- und Methodenkritik, aber auch einer Kritik an konkreten Planungspraxen (Stichwort "Verplanung") gemeint. Damit zielt diese Kritik durchaus auch in die Richtung vieler Planungskritiker (Frankfurter Schule, Schelsky), beansprucht aber durch die methodische Ordnung und die Metaphysikfreiheit Argumentationszugänglichkeit und rationale Geltung.


Prof. Dr. Armin Grunwald
Forschungszentrum Karlsruhe
Institut für Technikfolgenabschätzung
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Stand: 02.02.2001 - Bemerkungen und Kommentare bitte an: armin.grunwald@kit.edu