Deliberative Ereignisse in der Endlagerpolitik
Hochradioaktive Abfälle müssen bis zu einer Million Jahre lang sicher gelagert werden. Wie diese enormen Schutzzeiträume eingehalten werden können, ist kaum zu beantworten. Trotzdem muss eine nach heutigem Wissen bestmögliche Lösung gefunden werden. Die Suche nach einer solchen Lösung hat vielerorts zu gesellschaftlichen Konflikten geführt. Mit stärker an Dialog ausgerichteten Verfahren haben die zuständigen Entsorgungsorganisationen und Behörden versucht, darauf zu reagieren. Starke Kritik an deren praktischen Umsetzung äußerten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Bürgerinitiativen, die eine Konfliktbefriedung ohne wirkliche Mitsprachemöglichkeiten für die interessierte Öffentlichkeit vermuteten.
Vor diesem Hintergrund ist die ITAS-Wissenschaftlerin Sophie Kuppler in ihrer jetzt veröffentlichten Dissertation zwei Fragen nachgegangen: Erstens, ob die Ausrichtung von Dialogveranstaltungen alleine bereits zu Änderungen in der Endlagerpolitik und in der öffentlichen Debatte über diese führt, und zweitens, welche Faktoren sich als fördernd und welche als hemmend für die Entstehung solcher Effekte erweisen. Sophie Kuppler verglich dazu den deutschen Fall mit der Endlagersuche in der Schweiz von 2001 bis 2010.
Im Ergebnis zeigte sich, dass mikro-deliberative Ereignisse – wie Dialogveranstaltungen oder Regionalkonferenzen – tatsächlich zu Veränderungen in der Endlager-Governance beitragen können. Dieser Effekt betrifft aber häufig nur einzelne Kriterien, wie beispielsweise eine erhöhte Pluralität in der Problembeschreibung, und ist insbesondere in Deutschland größtenteils temporär begrenzt. Der Ländervergleich macht deutlich: Für einen dauerhaften Wandel hin zu einer deliberativen Endlager-Governance sind institutionalisierte Räume für die Diskussion zwischen verschiedenen Akteuren (Umweltgruppen, Bürgerinitiativen, Behörden, Industrie, etc.) und die gemeinsame Entwicklung einer transparenten Arbeitspraxis wichtig, d.h. es muss diskutiert werden, welche Arten von Informationen von Behörden und Industrie veröffentlicht werden und welche Art von Unterstützung beispielsweise Regionalkonferenzen benötigen, um diese Informationen verarbeiten zu können.
Sophie Kuppler kommt in ihrer Arbeit zu dem Schluss, dass durch die sehr langen Zeiträume der Endlagerung und durch ihre Einstufung als kaum lösbares „wicked problem“ eine endgültige Lösung des Konflikts nicht möglich ist. Vielmehr müssten sich alle Beteiligten auf Arbeitskompromisse einlassen, die innerhalb eines entsprechend gestalteten Verfahrens ständig neu verhandelt werden. (10.08.2017)
Bibliographische Angaben
Sophie Kuppler
Effekte deliberativer Ereignisse in der Endlagerpolitik. Deutschland und die Schweiz im Vergleich von 2001 bis 2010. Wiesbaden: Springer VS 2017.
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