Models in Science and Engineering
Wie können Wissenschaften etwas über so diverse Phänomene wie den Klimawandel, die nächste Sonnenfinsternis oder die Behandlung von Krankheiten mit neuen medikamentösen Therapien lernen? Eine kurze Antwort lautet: Über Phänomene lässt sich etwas lernen, indem man Modelle verwendet, die diese Phänomene adäquat repräsentieren. Diesen Gedanken greift der Wissenschafts- und Technikphilosoph Michael Poznic detailliert in seiner an der TU Delft entstandenen und jetzt veröffentlichten Dissertation auf.
So divers wie die Phänomene sind, so unterschiedlich sind auch die wissenschaftlichen Modelle. Computergestützte Klimamodelle, mathematische Modelle der Planetenbahnen oder materielle biotechnologische Modelle von menschlichen Organen werden mit der Absicht genutzt, unser Wissen über derartige Phänomene zu erweitern. Ob sie adäquate Repräsentationen dieser Phänomene darstellen, ist eine Frage, die die jeweiligen Wissenschaften beschäftigt.
Poznic geht es in der Dissertation dabei nicht nur darum zu erklären, was unter „Repräsentation“ im Kontext der Wissenschaften zu verstehen ist, sondern auch darum, wie die Begriffe von Repräsentation und Evaluation im Rahmen von Modellverwendungen aufeinander bezogen sind. Eine zentrale These der Arbeit ist, dass Repräsentation als Erfolgsbegriff zu verstehen sei, der sowohl deskriptive als auch evaluative Aspekte beinhaltet. Personen, die ein Modell als ein „repräsentatives Modell“ auszeichnen, nehmen eine Bewertung dieses Modells vor. Diese Bewertung ist dabei abhängig von den Absichten der Verwender, den Eigenschaften des Modells und den Eigenschaften des zu untersuchenden Phänomens. An diese Überlegungen anschließend wird in der Arbeit „Repräsentation“ als gleichbedeutend mit „adäquater Repräsentation“ aufgefasst.
Fallstudien zur Biotechnologie und Klimamodellierung
Poznics Dissertation wirft einen neuen Blick auf philosophische Ähnlichkeitstheorien der Repräsentation und enthält eine Diskussion von fiktionalistischen Ansätzen von Modellen, die im allgemeinen Rahmen eines Ansatzes der indirekten Repräsentation eingebettet ist. Ähnlichkeitstheorien gehen davon aus, dass Modelle als paradigmatische Vehikel der Repräsentation relevante Ähnlichkeiten zu den Phänomenen oder Zielen der Repräsentation („targets”), die mit ihrer Hilfe studiert werden, aufweisen müssen.
Fiktionalistische Ansätze nehmen ihren Ausgangspunkt von Analogien zwischen dem Umgang mit Fiktionen wie Romanen oder Filmen und anderen Bereichen menschlichen Lebens. Zentral für die in der Arbeit diskutierten fiktionalistischen Ansätze sind dabei Spiele des So-tun-als-ob („games of make-believe“). Diese Spiele sind nicht nur für die Interpretation von fiktionalen Werken relevant sondern sie liegen, gemäß dem diskutierten wissenschaftlichen Fiktionalismus, auch der Verwendung von Modellen oder Theorien zugrunde. Anhand einer Fallstudie zur Biotechnologie zeigt Poznic, dass indirekte Ansätze der Repräsentation eine Unterscheidung zwischen zwei Anpassungsrichtungen („directions of fit“) in Relationen zwischen Vehikeln und Zielen anerkennen müssen. Poznic interpretiert in diesem Zusammenhang den Begriff des Designs als Relation zwischen einem Vehikel und einem Ziel der Modellierung und verbindet damit Ideen aus der Wissenschafts- und der Technikphilosophie.
Darüber hinaus kritisiert die Dissertation zwei prominente fiktionalistische Ansätze in der Wissenschaftsphilosophie. Poznic entwickelt diese Kritik aus einer erkenntnistheoretischen Perspektive, wendet die den Fiktionalismus fundierende Theorie des So-tun-als-ob aber auf eine Fallstudie in der Klimamodellierung an, um eine neue Interpretation der vom Weltklimarat IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) gemachten Unterscheidung zwischen Vorhersagen und Projektionen von Modellen vorzuschlagen.
Eine offene Frage der Dissertation ist, ob die Phänomene der Klimamodellierung aktuale oder bloß mögliche Systeme sind. Eine anschließende Frage ist, ob Klimamodelle als adäquate Repräsentationen von diesen Systemen aufgefasst werden können und, wenn dem so ist, wie man die Objekte oder Ziele dieser Modelle philosophisch deuten kann. (01.08.2017)
Bibliographische Angaben
Poznic, Michael
Models in Science and Engineering: Imagining, Designing and Evaluating Representations. Simon Stevin Series in the Philosophy of Technology, Vol. 13. Delft: TU Delft 2017
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